Leitsatz (amtlich)
1. Für die durch einen neuerlichen Wettbewerbsverstoß begründete Dringlichkeitsvermutung aus § 12 Abs. 1 UWG ist die Untätigkeit des Verletzten auf einen vorangegangenen Verstoß regelmäßig unschädlich, wenn die Rechtsbeeinträchtigung des Verletzten durch den neuen Verstoß eine andere Qualität erlangt hat.
2. Wird in einer Werbung kein bestimmtes Produkt genannt und fehlen auch andere Angaben, welche es dem Adressaten ermöglichen, die Preiswürdigkeit eines zum Verkauf vorgehaltenen Produktes zu prüfen, so besteht keine Pflicht zur Angabe eines Gesamtpreises aus §§ 1, 3 Abs. 1 PAngV i.V.m. der RL 98/6/EG.
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Urteil vom 24.10.2023; Aktenzeichen 21 O 98/23 KfH) |
Tenor
I. Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Vorsitzenden der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Heilbronn vom 16. November 2023 (Az.: 21 O 98/23 KfH) wird zurückgewiesen.
II. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das in Ziffer I. genannte Urteil abgeändert und zur Klarstellung im Ganzen wie folgt neu gefasst:
Der Verfügungsantrag wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Verfügungsklägerin.
Streitwert für beide Rechtszüge: 22.500,- EUR.
Ohne Tatbestand gemäß §§ 313a Abs. 1 Satz 1, 542 Abs. 2 ZPO.
Gründe
A Die Verfügungsklägerin wendet sich gegen Werbung für Parfüm unter dem Gesichtspunkt unlauterer Verstöße gegen das Preisangabenrecht.
Unstreitig hat die Verfügungsbeklagte am 21. September 2023 sowohl auf der Webseite www.b...de als auch unter www.t...de für von ihr vertriebene Parfümmarken unter Angabe von Grundpreisen mit der Mengeneinheit "1000 ml" und ohne einen produktbezogenen Verkaufspreis geworben. Die Veröffentlichungen sind dem Anlagenkonvolut ASt. 6 zu entnehmen.
Das Landgericht hat dem auf das Fehlen von Gesamtpreisangaben gestützten Unterlassungsantrag stattgegeben, den auf die Angabe des Grundpreises mit der Angabe "1000 ml" gerichteten hingegen zurückgewiesen.
Beide Parteien greifen das Urteil mit dem Rechtsmittel der Berufung an und verfolgen ihr jeweiliges erstinstanzliches Rechtsschutzziel weiter.
B Die Berufungen beider Parteien sind zulässig.
C Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist begründet. Der Verfügungsantrag ist, soweit ihm das Landgericht stattgegeben hat, zulässig, insbesondere weder rechtsmissbräuchlich (dazu I.), noch fehlt der Verfügungsklägerin der Verfügungsgrund (dazu II.), aber er ist unbegründet (dazu III.).
I. Der Verfügungsantrag ist nicht rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 8c UWG.
1. Nach § 8c Abs. 1 und 2 UWG ist die Geltendmachung der in § 8 Abs. 1 UWG bezeichneten Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände rechtsmissbräuchlich ist (BGH, Urteil vom 07. März 2024 - I ZR 83/23, juris Rn. 9). Wesentliches Merkmal des Rechtsmissbrauchs ist es, dass sich der Anspruchsberechtigte bei der Rechtsverfolgung von sachfremden Gesichtspunkten leiten lässt. Diese müssen nicht sein alleiniges Motiv sein. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen (vgl. BGH, Urteile vom 21. Januar 2021 - I ZR 17/18, juris Rn. 38 - Berechtigte Gegenabmahnung; vom 26. Januar 2023 - I ZR 111/22, juris Rn. 40 - Mitgliederstruktur).
Geht, wie vorliegend, ein Mitbewerber aus Lauterkeitsrecht gegen einen Konkurrenten vor, so ist bei der Annahme eines Rechtsmissbrauchs Zurückhaltung geboten. Denn mit der Annahme eines Rechtsmissbrauchs verliert der Anspruchsteller den grundgesetzlich gewährleisteten Anspruch, sein insoweit zu unterstellendes, durch Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes Recht mit Hilfe der staatlichen Gerichte durchzusetzen.
2. An diesem Maßstab gemessen, zeigt die Verfügungsbeklagte hier keinen Rechtsmissbrauch auf. Selbst wenn man ihren gesamten Vortrag zur Kenntniserlangung trotz der Anwendbarkeit der §§ 529, 531 ZPO in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vgl. OLG Stuttgart, Urteile vom 25. Oktober 2018 -2 U 48/18, juris - Ocean bottle; und vom 02. August 2018 - 2 U 105/17, m.w.N.) als prozessual beachtlich und als glaubhaft gemacht ansieht, folgt daraus kein Rechtsmissbrauch. Die von der Verfügungsbeklagten herangeführte Fallgestaltung ausgelagerter Verstoßermittlung hat ihren Ursprung in lauterkeitsrechtsfremdem anwaltlichen Gebührenerzielungsinteresse, zu dessen Verwirklichung sich der Geschädigte einspannen lässt.
Dem ist es nicht gleichwertig, unterrichtet der Rechtsanwalt seinem Mandanten von Fehlverhalten des Gegners, das er im Zuge der lauterkeitsrechtlichen Mandatsbearbeitung erkannt hat. Hier fehlt neben dem vorrangigen Gebühreninteresse des Rechtsanwalts auch der Aspekt zielgerichteten anwaltlichen Suchens nach einem Verstoß ohne konkreten Anhalt. Eine anlasslose Marktbeobachtung durch den Verfügungsklägervertreter ist dem Vortrag der Verfügungsbeklagten nicht zu entnehmen.
II. Der Verfügungsklägerin fehlt nicht die für einen Verfügungsantrag erforderliche Dringlichkeit. Die im Lauterkeitsrecht geltende Dringlichkeitsvermutung aus § 12 Abs. ...