Leitsatz (amtlich)

Gegen das Urteil wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

2. Von den Kosten der Berufung tragen der Kläger 1/6 und die Beklagte 5/6.

3. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 07.11.2016, Az. 20 O 9/16, sind vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 36.000 EUR festgesetzt.

Der Streitwert für das landgerichtliche Verfahren wird auf 132.000 EUR abgeändert.

 

Gründe

I. 1. Die Beklagte vertreibt als Schwestergesellschaft der Herstellerin sog. P...-Produkte, die sich dadurch auszeichnen, dass sie einen bestimmten Zeolith, ein zu der Gruppe der Silikate gehörendes Mineral, enthalten, der nach Ansicht der Beklagten bzw. der Herstellerin Schadstoffe absorbiert und durch die dadurch erfolgende Entschlackung heilsame bzw. leistungssteigernde Wirkung hat.

Die Beklagte wirbt im Internet für die Medizinprodukte "P... B...-Detox" und "P... Sport M... P... Pulver" sowie für Nahrungsergänzungsmittel. Die Werbung für die Medizinprodukte ist Gegenstand der Klaganträge Ziff. 1 und 2, die Werbung für die Nahrungsergänzungsmittel Gegenstand der Klaganträge Ziff. 3 bis 8.

Mit Schreiben vom 14.08.2015 mahnte der Kläger die Beklagte ab. Hinsichtlich der streitgegenständlichen Werbeaussagen lehnte die Beklagte die Abgabe einer Unterlassungserklärung ab.

Der Kläger beantragte in erster Instanz:

Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen am Geschäftsführer der Beklagten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr

1. für das Produkt "P... B...-Detox" Pulver und/oder Kapseln zu werben:

1.1. "Warum P... B...-Detox? ... Der menschliche Organismus wird immer stärker belastet. Umweltgifte, Schadstoffe in der Nahrung oder erhöhte UV-Strahlung schaden uns tagtäglich ebenso wie Stress und Hektik. Die Folgen reichen von Leistungsabfall über erhöhte Infektanfälligkeit bis zu vorzeitigen Alterungserscheinungen. ... Für Vitalität und Wohlbefinden ist eine möglichst geringe Schadstoffbelastung wichtig",

1.2. "... Die Folgen der schleichenden Aufnahme von Schadstoffen begleitet durch den täglichen Stress, Hektik, schlechter Ernährung, Elektrosmog, Rauchen und Alkoholkonsum reflektieren sich letztlich auch in der Umweltverschmutzungs-Erkrankung. Diese äußert sich in folgenden Symptomkomplexen:

  • Leistungsabfall (geistig und körperlich)
  • nervöse Erschöpfung
  • Konzentrationsstörungen
  • gesteigerte Infektanfälligkeit
  • Tagesmüdigkeit
  • Verdauungsstörungen
  • Schlafstörungen
  • Kopfschmerzen",

1.3. "Wenn die natürlichen Entgiftungskapazitäten von Leber, Niere und Darm an ihre Grenzen stoßen, kann das Natur-Vulkanmineral ein positiver Beitrag sein, um den Körper wieder ins Gleichgewicht zu bringen",

wenn dies jeweils geschieht wie in Anlage K3 wiedergegeben.

2. für das Produkt "P... Sport M... P... Pulver" zu werben:

2.1. "P... Sport M... P... Pulver ist die natürliche Unterstützung für Training und Wettkampf und fördert mit wertvollen Mineralien und schadstoffbindendem PMA-Zeolith sportliche Höchstleistungen",

2.2. "Der PMA Zeolith ... entlastet den Körper ... und führt somit zu mehr Leistungsfähigkeit, geringerer Laktatbelastung und kürzerer Regeneration",

2.3. "Steht eine längere Trainingseinheit oder ein Wettkampf bevor, sollte der Körper sowohl vor als auch währenddessen mit P... Sport PMA Pulver versorgt werden",

3. ...

4. ...

5. ...

6. ...

7. ...

8. ...

(vom Abdruck der Anträge Ziff. 3 bis 8 wurde abgesehen, da diese Anträge nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens sind)

sofern dies jeweils geschieht wie in Anlage K4 wiedergegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

2. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

a) Die Werbeaussagen zu Ziff. 1 und Ziff. 2 seien nach § 3, 3a UWG i.V.m. § 3 HWG unlauter.

Die Aussagen beinhalteten eine nach § 3 Nr. 1 HWG unzulässige irreführende Werbung. Sämtliche Aussagen gründeten auf der behaupteten Wirkung von Zeolith, die aber weder anerkannt noch wissenschaftlich nachgewiesen sei.

Nachdem der Kläger mit mehreren wissenschaftlichen Zitaten hinreichend belegt habe, dass sämtliche Aussagen der Beklagten, die sich auf den Zeolithgehalt bezögen, irreführend seien, obliege die Darlegungs- und Beweislast für die Richtigkeit ihrer gesundheitsbezogenen Werbung der Beklagten. Dieser Beleg könne wegen des bei Gesundheitsangaben geltenden Strengeprinzips im Regelfall nur mit randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudien mit einer adäquaten statistischen Auswertung geführt werden.

Die erfolgreiche Zertifizierung durch die SQS als benannte Stelle entbinde die Beklagte nicht davon, einen Wirksamkeitsnachweis für die behaupteten Werbeaussagen zu erbringen, denn die SQS prüfe die vom Hersteller behaupteten Wirkungen lediglich auf ihre Nachvollziehbarkeit, nicht aber die ther...

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