Verfahrensgang

LG Hechingen (Urteil vom 16.08.2019; Aktenzeichen 2 O 110/19)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hechingen vom 16.08.2019, Az. 2 O 110/19, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Hechingen ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung abwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht vor der Vollstreckung die Beklagte Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger, der im März 2016 einen Pkw der Marke "ABC" kaufte, macht gegen die Beklagte Schadenersatzansprüche im Zusammenhang mit dem sog. ABC-Abgasskandal geltend.

Der Kläger kaufte mit Vertrag vom 12.03.2016 von einer Privatperson ein gebrauchtes Fahrzeug ABC C mit einer Laufleistung von 112.500 km zum Preis von 10.800,00 EUR (Anlage K 1).

Für das Modell war eine Typgenehmigung nach Euro-5 erteilt worden. In dem Fahrzeug ist serienmäßig ein von der Beklagten hergestellter Motor des Typs EA189 verbaut. Die für den Fahrzeugmotor ursprünglich eingesetzte Steuerungssoftware verfügte über eine Fahrzykluserkennung ("Umschaltlogik"), die erkannte, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand für den sogenannten Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) betrieben wird, und dann eine höhere Abgasrückführungsrate aktivierte ("Modus 1"). Im realen Straßenbetrieb war ein anderer Betriebsmodus ("Modus 0") mit geringerer Abgasrückführungsrate aktiv. Aufgrund eines vom Kraftfahrtbundesamt angeordneten Rückrufs wurde auf dem Fahrzeug - nach dem Kauf durch den Kläger - das für die Nachrüstung des Fahrzeugs vom KBA freigegebene Software-Update installiert.

Bereits einige Zeit vor dem behaupteten Erwerb durch den Kläger hatte die Beklagte am 22.09.2015 eine Ad-hoc-Mitteilung (§ 15 WpHG) veröffentlicht (Ss. vom 09.04.2020 S. 10, GA 909 mit Verweis auf https://www.dgap.de/dgap/News/adhoc/...-informiert/?newsID=899395), worin es hieß:

ABC treibt die Aufklärung von Unregelmäßigkeiten einer verwendeten Software bei Diesel-Motoren mit Hochdruck voran. [...] Auffällig sind Motoren vom Typ EA189 mit einem Gesamtvolumen von weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen. [...] auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt. ABC arbeitet mit Hochdruck daran, diese Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu beseitigen.

Dies war der Anlass für eine auch in der Folgezeit anhaltende ausführliche und umfangreiche Medienberichterstattung (Ss. vom 09.04.2020 S. 10 ff, GA 909 ff.).

Unmittelbar nach der Ad-hoc-Mitteilung informierte die Beklagte zudem ihr Händlernetz (Ss. vom 09.04.2020 S. 16 f., GA 915 f.) und wies die Händler an, alle Fahrzeuge zu kennzeichnen, bei denen bereits das Update aufgespielt wurde. Anfang Oktober stellte die Beklagte überdies auf ihrer Homepage ein Tool zur Verfügung, mit dem für jedes Fahrzeug ermittelt werden konnte, ob es von der "Umschaltlogik" betroffen ist. Hierüber informierte die Beklagte mit einer Pressemeldung am 02.10.2015. In zahlreichen Medien wurde darüber berichtet.

Wie der Beklagtenvertreter im Termin vor dem Senat näher erläuterte, schrieb die Beklagte im Februar 2016 - sobald ihr die hierfür erforderlichen Angaben vom KBA zur Verfügung gestellt worden waren - alle betroffenen Halter einzeln an und informierte sie über die beanstandete "Umschaltlogik", die anstehende Rückrufaktion und die Umsetzung durch Aufspielen eines Softwareupdates, das die "Umschaltlogik" entfernen sollte. Sobald das jeweilige für den Fahrzeugtyp individuell programmierte Update zur Verfügung stand, setzte die Beklagte die jeweiligen Halter hiervon in Kenntnis und forderte sie dazu auf, das Update aufspielen zu lassen.

Im Übrigen wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die auf Feststellung der Schadenersatzpflicht der Beklagten gerichtete Zahlung abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Schadenersatz. Eine Haftung der Beklagten nach §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 263 StGB scheitere jedenfalls deswegen, weil die Beklagte den Kläger nicht betrugsrelevant getäuscht habe. In Betracht komme allenfalls eine Täuschung durch Unterlassen der Aufklärung über die unzulässige Abschalteinrichtung. Dies setze eine Garantenstellung voraus; eine solche sei aber zu verneinen. Die Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 826 BGB lägen gleichfalls nicht vor. Nicht jede Missachtung gesetzlicher Bestimmungen bedeute einen Sittenverstoß. Schließlich bestehe kein Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 16 UWG. Dass die Beklagte falsche Werbeangaben gemacht habe, sei von dem Kläger nicht dargelegt worden.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er verfolgt sein ursprüngliches Klagebegehren weiter.

Der Kläger ist insbesondere ...

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