Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 24.07.2020; Aktenzeichen 11 O 616/19) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 24.07.2020 wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert in der Berufungsinstanz: bis 40.000 EUR
Gründe
I. Der Kläger nimmt den beklagten Fahrzeughersteller auf Rückabwicklung eines Kaufvertrages bzw. Schadensersatz wegen der angeblichen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung des Dieselmotors in Anspruch.
Der Kläger erwarb am 15. Mai 2013 von der Beklagten den streitgegenständlichen Pkw xxx mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ... (im Folgenden: "Fahrzeug") als Neuwagen zu einem Kaufpreis von 88.306,93 EUR (Anl. K 1, Bl. 38 d.A.). Das Fahrzeug wurde ihm am 16. September 2013 übergeben. Es ist mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 642 der Schadstoffklasse Euro 6 mit SCR-Katalysator ausgestattet, der von der Beklagten entwickelt und herstellt wurde. Das Fahrzeug ist von einem Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt betroffen.
Zur Verringerung der Stickoxidemissionen wird in dem Fahrzeug ein System zur Abgasrückführung eingesetzt. Dabei wird ein Teil des Abgases zurück in das Ansaugsystem des Motors geführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil. Die Abgasrückführung wird unter anderem in Abhängigkeit von der Außentemperatur gesteuert (sogenanntes "Thermofenster").
Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 25. Januar 2019 (Anl K 3, Bl. 40 d.A.) gegenüber der Beklagten den Rücktritt von dem mit ihr geschlossenen Kaufvertrag.
Am 29. März 2020 - nach Klageerhebung - verkaufte der Kläger das Fahrzeug mit einem Kilometerstand von 150.895 km für 24.800,00 EUR weiter (Kaufvertrag, Anl. K 13, Bl. 175 d.A.). Dabei verwendete er einen auf der Internetplattform "...de" zur Verfügung gestelltes Vertragsmuster. In diesem heißt es unter Ziff. 2 (Gewährleistung):
"Das Fahrzeug wird wie besichtigt verkauft. Bestimmte Zusicherungen sind unter Ziffer 3 zusammengefasst. Eine Sachmittelhaftung (sic!) ist dabei ausgeschlossen. Dieser Ausschluss gilt nicht für Schadensersatzansprüche aus Sachmängelhaftung, die auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung von Pflichten des Verkäufers beruhen, sowie bei der schuldhaften Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit. Soweit Ansprüche aus Sachmängelhaftung gegen Dritte bestehen, werden sie an den Käufer abgetreten."
Der Kläger behauptete in erster Instanz, die temperaturgesteuerte Abgasrückführung sei als unzulässige Abschalteinrichtung der Abgasregelung zu sehen, die von der Beklagten im Typgenehmigungsverfahren verschwiegen worden sei. Die Beklagte habe ihn daher konkludent darüber getäuscht, dass das Fahrzeug ordnungsgemäß zum Verkehr zugelassen worden sei. Wegen dieser Täuschung könne er Rückabwicklung des Kaufvertrages verlangen nach §§ 346, 437 Nr. 2, 440, 323 BGB bzw. Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs abzüglich einer Nutzungsentschädigung gemäß §§ 437 Nr. 3, 440, 323 BGB bzw. § 826, 31, 831 BGB, bzw. § 823 Abs. 2 i.V.m. Art. 18, 26 RL (EG) Nr. 46/2007, bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Unterabsatz 2, Abs. 2 Unterabsatz 2, Art. 5 Abs. 1 VO (EG) Nr. 715/2007, bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 16 UWG, bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007, bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB sowie § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV.
Der Kläger hat zunächst beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 47.009,61 EUR (Kaufpreis abzüglich Nutzungsentschädigung) sowie Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu verurteilen sowie festzustellen, dass sich die Beklagte im Annahmeverzug befinde. Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2020 hat er die Klage in Höhe von 27.919,59 EUR (Verkaufserlös von 24.800,00 EUR plus weitere Nutzungsentschädigung seit Klageerhebung) sowie hinsichtlich der Feststellung des Annahmeverzugs für erledigt erklärt und in erster Instanz zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei 19.090,02 EUR sowie Zinsen in Höhe von 21.919,74 EUR, nebst weiterer Zinsen in Höhe von 4 Prozent pro Jahr aus 88.306,93 EUR für die Zeit vom 01.12.2019 bis 28.03.2020 und aus 63.506,93 EUR seit dem 29.03.2020 zu zahlen.
Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, sie habe im Typgenehmigungsverfahren nicht getäuscht und damit auch gegenüber ihren Kunden keine Täuschung begangen. Die von verschiedenen Parametern, unter anderem von der Außentemperatur abhängige dynamische Regelung der Abgasrückführung sei keine Abscha...