Leitsatz (amtlich)
Eine Abtretungsklausel in einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug mit dem Wortlaut: "Ggf. bestehende Ansprüche aus der Haftung für Sach- und Rechtsmängel sowie für Mängel an digitalen Produkten sowie an Waren mit digitalen Elementen werden ebenso wie ggf. bestehende Garantieansprüche an den Käufer abgetreten." kann so auszulegen sein, dass mit dem Vertrag nicht nur eventuell bestehende vertragliche Ansprüche gegen den Hersteller und Verkäufer des Fahrzeugs an den Käufer abgetreten werden, sondern auch deliktische Ansprüche wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Dieselfahrzeug. Eventuelle zu der abgetretenen Forderung akzessorische Zinsansprüche sind ebenfalls von der Abtretungsvereinbarung erfasst.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 826, 849; ZPO § 265
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 27.12.2021; Aktenzeichen 11 O 337/20) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 27.12.2021, Az. 11 O 337/20, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziff. 1 genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu EUR 22.000,00 festgesetzt.
Gründe
Der Kläger nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin auf Schadensersatz wegen behaupteter Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in Anspruch.
Am 15.8.2014 erwarb der Kläger von der Beklagten (Niederlassung S.) einen gebrauchten Mercedes-Benz C 220 CDI Coupé (Ez.: 20.6.2013) zum Preis von EUR 28.223,00 (Anlage K A2, LG). Das Fahrzeug wies im Zeitpunkt des Erwerbs eine Laufleistung von 100.000 km auf.
Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten entwickelten und hergestellten Dieselmotor der Baureihe OM 651, Schadstoffklasse Euro 5, ausgestattet. Es ist nicht von einem verpflichtenden Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes (im Folgenden: KBA) betroffen.
Zur Verringerung der Stickoxidemissionen wird in dem Fahrzeug ein System zur Abgasrückführung eingesetzt. Dabei wird ein Teil des Abgases zurück in das Ansaugsystem des Motors geführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil. Die Abgasrückführung wird unter anderem in Abhängigkeit von der Außentemperatur gesteuert (sog. Thermofenster). Zudem verfügt das Fahrzeug über eine Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung (im Folgenden: KSR), mit der die Sollwerttemperatur für das Kühlmittelthermostat unter bestimmten Bedingungen abgesenkt wird.
Am 7.10.2022 verkaufte der Kläger das Fahrzeug mit einem Kilometerstand von 175.000 km für EUR 13.100,00 weiter (Anlage KV, Bl. 390). Dabei verwendete er ein vom C. zur Verfügung gestelltes Vertragsmuster. In diesem heißt es:
"Das Kraftfahrzeug wird unter Ausschluss der Haftung für Sach- und Rechtsmängel sowie für Mängel an digitalen Produkten und an Waren mit digitalen Elementen verkauft. Dieser Ausschluss gilt nicht für Schäden, die auf einer grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Verletzung von Pflichten des Verkäufers oder seines Erfüllungsgehilfen beruhen sowie bei der Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit.
Ggf. bestehende Ansprüche aus der Haftung für Sach- und Rechtsmängel sowie für Mängel an digitalen Produkten sowie an Waren mit digitalen Elementen werden ebenso wie ggf. bestehende Garantieansprüche an den Käufer abgetreten."
Mit vorgerichtlichem Anwaltsschreiben vom 26.2.2020 (Anlage K B1, LG) ließ der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung von einem Monat auffordern, den Kaufpreis des Fahrzeugs i.H.v. EUR 28.223,00 ohne Abzug eines Nutzungsersatzes, Zug-um-Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs zurückzuzahlen.
Der Kläger behauptete im ersten Rechtszug,
dass in seinem Fahrzeug mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut seien. Aufgrund des Thermofensters werde die volle Abgasbehandlung ausschließlich im Rahmen eines bestimmten Temperaturfensters von 20 - 30 Grad Celsius zugelassen. In diesem Bereich werde die Abgasrückführung optimal angesteuert und die Abgasrückführung zu 100 Prozent durchgeführt. Außerhalb dieses Temperaturbereichs werde die Abgasrückführung reduziert und schließlich ganz abgeschaltet. Dies sei aus technischen Gründen nicht erforderlich und stelle daher eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 dar.
Darüber hinaus sorge die in dem Fahrzeug verbaute KSR dafür, dass der Kühlmittelkreislauf künstlich kälter als unter realistischen Bedingungen gehalten und die Aufwärmung des Motoröls verzögert werde, was dazu führe, dass die Stickoxidwerte auf dem Prüfstand unterhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte blieben, während diese Funkti...