Leitsatz (amtlich)
1. Der Anspruch des Pächters auf Gebrauchsüberlassung und sein Recht zum Besitzt entfällt gem. § 275 Abs. 1 BGB, wenn die Pachtsache durch einen Brand im Wesentlichen zerstört wird. Eine Pflicht des Verpächters zum Wiederaufbau besteht in diesem Falle nicht, ohne dass es auf Fragen der Zumutbarkeit i.S.v. § 275 Abs. 2 BGB ankäme.
2. Eine Zerstörung i.S.v. Nr. 1, die zur Unmöglichkeit führt, liegt nicht erst dann vor, wenn kein Stein mehr auf dem anderen steht. Maßgebend ist eine funktionelle Betrachtung, bei der es darauf ankommt, ob der erhalten gebliebene Teil eigentständig wirtschaftlich sinnvoll nutzbar ist und die Identität des Pachtgegenstands gewahrt bleibt. Dies ist nicht der Fall, wenn das Herzstück der Pachtsache ein historisches Teil (hier: eine alte Mühle) und dieser weitestgehend abgebrannt ist, später angebaute Gebäudeteile jedoch zu wesentlichen Teilen erhalten geblieben sind.
Normenkette
BGB § 275 Abs. 1-2, § 536a
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 03.07.2009; Aktenzeichen 24 O 132/06) |
Tenor
1. Das Urteil des Einzelrichters der 24. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 3.7.2009 - Az. 24 O 132/06 - wird auf die Berufung des Beklagten Ziff. 2 teilweise abgeändert und die Klägerin verurteilt, an den Beklagten Ziff. 2 5.559,59 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. seit 1.7.2006 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Von den Gerichtskosten des Berufungsverfahrens und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin und des Beklagten Ziff. 2 in beiden Instanzen tragen die Klägerin 1/10 und der Beklagte Ziff. 2 9/10. Die Gerichtskosten der I. Instanz tragen die Klägerin und der Beklagte Ziff. 2 je zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten Ziff. 1 in der I. Instanz trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die andere Partei vorher Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert: 45.000 EUR
(für den Erstattungsanspruch der Beklagten Ziff. 1: 26.689,44 EUR)
Gründe
I. Die klagende Verpächterin verlangt Räumung einer in der Nacht vom 24./25.12.2005 durch einen Brand zerstörten, als Gaststätte genutzten ehemaligen Mühle und vertritt dabei die Auffassung, das Pachtverhältnis habe durch die Zerstörung des Pachtgegenstands geendet. Der beklagte Pächter (Beklagter Ziff. 2) steht auf dem Standpunkt, die Klägerin sei zum Wiederaufbau des Gebäudes verpflichtet und macht widerklagend Ansprüche wegen von der Klägerin bezogener Versicherungsleistungen geltend.
Wegen des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen, der insoweit zu ergänzen ist, als in § 14 Ziff. 2 des Pachtvertrags zugesichert wird, dass das Objekt nicht ohne Konsultation des Pächters verkauft werde und er der vorrangige Käufer sei.
Dem Hauptbegehren der Klägerin, nämlich dem Räumungsantrag gegen den Beklagten Ziff. 2, hat das LG stattgegeben, weil ihre Pflicht zur Gebrauchsüberlassung aus dem Pachtvertrag entfallen sei. Zwar sei die Pachtsache nur teilweise zerstört: Jedoch sei die sog. Opfergrenze überschritten, ab der dem Verpächter eine Wiederherstellung nicht mehr zuzumuten sei Dafür spreche, dass sich die Pachteinnahmen in 10 Jahren auf lediglich 230.000 EUR summierten, während die Wiederherstellung dem gerichtlichen Sachverständigen zufolge 709.185 EUR kosten würde. Unzumutbar sei ein Wiederaufbau selbst dann, wenn die strittigen Behauptungen des Beklagten Ziff. 2 als richtig unterstellt würden, wonach der Gasthof die Existenzgrundlage des Beklagten Ziff. 2 bilde, der Brand durch mangelhaft gewartete elektrische Leitungen verursacht worden und der vom Beklagten Ziff. 2 investierte Renovierungsaufwand in die Abwägung einzubeziehen sei. Das LG vertritt die Meinung, dass die von der Klägerin aus ihrer Elementarversicherung vereinnahmten Versicherungsleistungen an der Unzumutbarkeit nichts änderten, weil die Gelder der Klägerin zugestanden hätten und diese in der Verwendung frei sei. Dass § 22 Abs. 4 WEG innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft eine Wiederherstellungspflicht vorsehe, besage für das Verhältnis der hiesigen Parteien nichts und stelle auch dort keinen Automatismus dar. Bei dieser Sachlage könne offen bleiben, ob der Umstand, dass der Beklagte Ziff. 2 am 28.6.2006 die eidesstattliche Versicherung abgeben musste, die Klägerin zur außerordentlichen Kündigung berechtigte.
Abgewiesen hat das LG den Feststellungsantrag der Klägerin betreffend den Bestand des Pachtvertrags, zu dessen Rücknahme die Beklagtenseite die Zustimmung verweigert hatte, weil es sich nicht um eine vorgreifliche Feststellung i.S.d. § 256 Abs. 2 ZPO handle.
Die Klage gegen die im Pachtvertrag als Vertragspartnerin genannte Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die den Namen des Beklagten Ziff. 2 trägt (Beklagte Ziff. 1), wurde abgewies...