Leitsatz
1. Der Anspruch des Pächters auf Gebrauchsüberlassung und sein Recht zum Besitz entfällt gem. § 275 Abs. 1 BGB, wenn die Pachtsache durch einen Brand im Wesentlichen zerstört wird. Eine Pflicht des Verpächters zum Wiederaufbau besteht in diesem Fall nicht, ohne dass es auf Fragen der Zumutbarkeit i. S. v. § 275 Abs. 2 BGB ankäme.
2. Eine Zerstörung i. S. v. Nr. 1, die zur Unmöglichkeit führt, liegt nicht erst dann vor, wenn kein Stein mehr auf dem anderen steht. Maßgebend ist eine funktionelle Betrachtung, bei der es darauf ankommt, ob der erhalten gebliebene Teil eigenständig wirtschaftlich sinnvoll nutzbar ist und die Identität des Pachtgegenstands gewahrt bleibt. Dies ist nicht der Fall, wenn das Herzstück der Pachtsache ein historischer Teil (hier: eine alte Mühle) und dieser weitestgehend abgebrannt ist, später angebaute Gebäudeteile jedoch zu wesentlichen Teilen erhalten geblieben sind.
(amtliche Leitsätze des Gerichts)
Normenkette
BGB §§ 275 Abs. 1; 535 Abs. 1
Kommentar
Der entschiedene Fall betrifft einen Pachtvertrag über ein gastronomisch genutztes Anwesen. Dieses bestand aus einer 150 Jahre alten historischen Mühle, in der sich die Gasträume befanden, und einem in den 1980er Jahren errichteten Nebengebäude, in dem die Küche, die Toiletten und Lager sowie drei Fremdenzimmer untergebracht waren. Im Dezember 2005 brach in dem Anwesen ein Brand aus, durch den die historische Mühle vollständig zerstört wurde, während das Nebengebäude im Wesentlichen erhalten blieb. Die Ursache des Brandes blieb ungeklärt. Das Gericht hatte zu entscheiden, ob der Verpächter zum Wiederaufbau der zerstörten Mühle verpflichtet ist.
Der Verpächter hat die Pachtsache während der Pachtzeit in einem zu dem vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten (§§ 535 Abs. 1 Satz 2, 581 Abs. 2 BGB). Wird das Pachtobjekt durch einen Brand beschädigt, ist der Verpächter grundsätzlich zur Beseitigung der Brandschäden verpflichtet. In § 275 Abs. 1 BGB ist jedoch geregelt, dass der Anspruch auf die Wiederherstellung ausgeschlossen ist, soweit diese für den Verpächter unmöglich ist. Dies wird angenommen, wenn ein verpachtetes Gebäude völlig oder überwiegend zerstört wird, und gilt auch dann, wenn an Stelle des zerstörten Gebäudes ein gleiches oder ähnliches Gebäude errichtet werden könnte. Für die Annahme der Unmöglichkeit genügt es, dass die ursprüngliche Pachtsache nicht mehr vorhanden ist.
Dies führt zu der Frage, welche Rechtsfolge gilt, wenn ein aus mehreren Gebäuden bestehendes Anwesen teilweise zerstört wird. In diesem Fall kommt es darauf an, ob das Hauptgebäude oder die Nebengebäude zerstört wurden. Bei einer Zerstörung der Nebengebäude ist der Verpächter zur Wiederherstellung verpflichtet. Wurde dagegen das Hauptgebäude zerstört, gilt § 275 Abs. 1 BGB mit der Folge, dass die Wiederherstellungspflicht des Verpächters entfällt.
Das Gericht führt aus, dass der Charakter der Pachtsache durch die historische Mühle bestimmt werde. Diese sei vollständig abgebrannt. Deshalb liegt insgesamt Unmöglichkeit vor.
Versicherungsleistungen nicht zweckgebunden
Dies gilt auch dann, wenn der Vermieter durch die Brandversicherung entschädigt worden ist. Die Versicherungsleistungen sind nicht zweckgebunden. Vielmehr ist der Eigentümer in der Verwendung dieser Leistungen frei.
Link zur Entscheidung
OLG Stuttgart, Urteil v. 11.1.2010, 5 U 119/09, GuT 2010 S. 221