Leitsatz (amtlich)
Der durch Vereinbarung mit dem seitherigen Vermieter in einem Mietvertrag eingetretene neue Vermieter ist hinsichtlich des von der mietenden Gesellschaft, die pflichtwidrig zur Zeit der Vereinbarung noch keinen Insolvenzantrag gestellt hat, nicht zu erlangenden Mietausfalls nicht zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Insolvenzverschleppung gegen die Geschäftsführers berechtigter Neugläubiger.
Normenkette
BGB §§ 535, 823 Abs. 2; GmbHG § 64 Abs. 1; InsO § 15a Abs. 1 S.1
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Urteil vom 17.02.2012; Aktenzeichen 8 O 276/11 Ka) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des LG Heilbronn vom 17.2.2012 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
3. Dieses und das angefochtene Urteil des LG Heilbronn sind vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagten vor Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Streitwert der Berufung: 256.576,92 EUR
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagten als (ehemalige) Geschäftsführer der ... wegen Insolvenzverschleppung in Anspruch.
Die ..., über deren Vermögen am 16.8.2010 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, war Mieterin eines Ladengeschäfts im Einkaufszentrum ... in ... Ursprünglich war Vermieterin die ... Durch Vertrag vom 18.12.2006 wurde zum 1.1.2007 das Leasingverhältnis zwischen der Klägerin und der ... aufgehoben. Gleichzeitig wurden sämtliche Mietverhältnisse auf die Klägerin übertragen.
Durch Schreiben vom 13.11.2007 kündigte die ... wegen Insolvenz ihrer Hauptlieferantin das Mietverhältnis mit der Klägerin zum 31.1.2008. Die Klägerin wies die Kündigung wegen der Befristung des Mietverhältnisses zurück. Ab Dezember 2007 zahlte die ... den monatlichen Mietzins nicht mehr regelmäßig.
Die Klägerin macht gegen die Beklagten Rückstände von 227.864,04 EUR, 23.437,18 EUR Verzugszinsen und 5.275,70 EUR Kosten der Rechtsverfolgung gegen die ... geltend. Das LG wies die Klage ab. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.
Die Klägerin verfolgt ihren Antrag aus I. Instanz weiter und beantragt, das Urteil des LG abzuändern und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 256.576,92 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht wies das LG die Klage mangels Aktivlegitimation der Klägerin ab. Eine Abänderung des Urteils ist - auch aufgrund des Berufungsvorbringens - nicht veranlasst.
Die geltend gemachten Schadensersatzansprüche gem. § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem gem. Art. 25 MoMiG seit 1.11.2008 gültigen § 15a Abs. 1 S. 1 InsO bzw. dem bis 31.10.2008 gültigen § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. stehen der Klägerin nicht zu, ebenso wenig sonstige Ansprüche. Das LG stellte zu Recht darauf ab, dass die Klägerin hinsichtlich des verlangten Schadens nicht aktivlegitimiert ist. Sie ist sog. Altgläubigerin und kann daher einen Schadensersatzanspruch wegen Insolvenzverschleppung nicht geltend machen. Wegen Altschulden kann nur der Ersatz eines Quotenschadens gefordert werden, der in einem eröffneten Insolvenzverfahren als einheitlicher Gesamtgläubigerschaden gem. § 92 InsO allein vom Insolvenzverwalter gegenüber den Geschäftsführern geltend zu machen ist (BGH, Urt. v. 5.2.2007 - II ZR 234/05, juris Rz. 12 m.w.N.).
1. Nur Gläubiger, die einen nach dem Zeitpunkt, in dem Insolvenzantrag hätte gestellt werden müssen, eingetretenen Schaden erlitten (Neugläubiger), haben bei Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht einen Anspruch gegen die Geschäftsführer aus Ausgleich des Schadens, der ihnen dadurch entsteht, dass sie in Rechtsbeziehungen zu einer überschuldeten oder zahlungsunfähigen Gesellschaft getreten sind. Anspruchsberechtigte Neugläubiger sind also alle, die ihre Forderungen gegen die Gesellschaft nach dem Zeitpunkt erworben haben, zu dem Insolvenzantrag hätte gestellt werden müssen (BGH, Urt. v. 6.6.1994 - II ZR 292/91). Anders als der Schaden der Altgläubiger, der in der durch die Insolvenzverschleppung bedingten Masse- und Quotenverminderung besteht, liegt der Schaden eines Neugläubigers darin, dass er der Gesellschaft im Vertrauen auf deren Solvenz noch Geld- oder Sachmittel zur Verfügung gestellt hat, ohne einen entsprechend werthaltigen Gegenanspruch oder eine entsprechende Gegenleistung zu erlangen (BGH, Urt. v. 14.5.2012 - II ZR 130/10, juris Rz. 13 m.w.N.).
2. Bei Dauerschuldverhältnissen, wozu Mietverträge zählen, kann der Vertragspartner sowohl Alt- als auch Neugläubiger sein (Urteil des BGH v. 5.2.2007 - II ZR 234/05). Entscheidend für die Einordnung ist, ob der Gläubiger seine Leistung nach Eintritt der Insolvenzreife noch hätte zurückhalten können (durch Kündigung, aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Lösu...