Leitsatz (amtlich)
1. Wird einer Person der Besuch einer Diskothek allein wegen ihrer Hautfarbe und ihres Geschlechts verweigert, kann dies einen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung begründen.
2. Die Höhe dieser Entschädigung wird auch durch generalpräventive Erwägungen beeinflusst, die aber nicht dazu führen dürfen, dass die übrigen Bemessungskriterien vernachlässigt werden und im Vergleich zu Schmerzensgeldansprüchen wegen einer Körperverletzung oder einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts un-verhältnismäßig hohe Entschädigungen zugesprochen werden.
Verfahrensgang
LG Tübingen (Urteil vom 29.07.2011; Aktenzeichen 7 O 111/11) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Tübingen vom 29.7.2011 - 7 O 111/11, abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 900 EUR zu zahlen. Die darüber hinausgehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
2. Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen der Kläger 68 % und die Beklagte 32 %.
4. Das Urteil ist für beide Parteien vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 6.000 EUR
Gründe
I. Der Kläger macht Ansprüche gegen die Beklagte geltend, weil ihm am 5.11.2010 der Zutritt zur Diskothek der Beklagten in R. deshalb verweigert worden sei, weil er männlich sei und eine schwarze Hautfarbe habe.
Mit Urt. v. 29.7.2011 - 7 O 111/11, hat das LG Tübingen der Klage insoweit stattgegeben, als die Beklagte dem Kläger künftig den Zutritt zu ihrer Diskothek nicht wegen der Hautfarbe des Klägers verweigern darf, und hat die Klage im Hinblick auf das begehrte Schmerzensgeld von mindestens 5.000 EUR abgewiesen. Der Kläger könne verlangen, dass ihm nicht lediglich aus Gründen seiner Hautfarbe der Eintritt zur Diskothek verwehrt werde. Die Frist des § 21 Abs. 5 AGG sei gewahrt. Nach Anhörung des Klägers und auf der Grundlage der Vernehmung des Zeugen R. sei das Gericht davon überzeugt, dass ihm der zuständige Türsteher den Eintritt in die Diskothek mit der Begründung, es seien "schon genug Schwarze drin", verwehrt habe. Dies verstoße gegen die §§ 2 Abs. 1 Nr. 8, 19 Abs. 2 AGG. Nach der Überzeugung des Gerichts sei eines der Auswahlkriterien die dunkle, auf die ethnische Herkunft hindeutende Hautfarbe des Klägers gewesen, weil andere Besucher während dessen offenbar eingelassen worden seien. Die Beklagte müsse sich die möglicherweise einmalige oder auch nur schlecht gelaunte Bemerkung des handelnden Türhüters zurechnen lassen. Eine Wiederholungsgefahr liege nahe. Dem Kläger sei jedoch kein immaterieller Schaden entstanden, der so gewichtig wäre, dass er einen Schmerzensgeldanspruch auslösen könne. Die Demütigung durch die Bemerkung des Türhüters überschreite nicht das Maß täglichen Unrechts oder persönlicher Kränkung, die jedem Menschen alltäglich widerfahren könne und ohne materielle Entschädigung hinzunehmen sei.
Dagegen wendet sich die Berufung des Klägers. Das LG habe die besondere Dimension rassistischer Diskriminierung nicht gesehen. Der Aspekt der Mehrfachdiskriminierung wegen der Hautfarbe in Kombination mit dem Geschlecht sei trotz des Vortrags des Rechtsbeistands nicht angesprochen worden. Eine offene direkte Ungleichbehandlung wegen der Hautfarbe und erst recht in Kombination mit anderen Gründen müsse zwingend zur Sanktion einer Entschädigung führen. Das Schmerzensgeld diene nicht nur der Genugtuung des Opfers, sondern unter dem Gesichtspunkt der Generalprävention auch dem Zweck, vergleichbare Anbieter von solchen Diskriminierungen abzuhalten. Es sei daher zu fragen, welche Entschädigungshöhe die Beklagte und andere Diskothekenbetreiber wirksam dazu bringen könne, für ein anderes Verhalten ihrer Türsteher zu sorgen. Eine Entschädigung dürfe nicht dazu führen, dass es kostengünstiger sei, eine gelegentliche Verurteilung hinzunehmen als für ein rechtmäßiges Verhalten des eingesetzten Personals zu sorgen.
Zur Anschlussberufung vertritt der Kläger die Auffassung, die Beweiswürdigung des LG sei nicht zu beanstanden. Die gerügten Abweichungen zwischen den Angaben des Klägers und des vernommenen Zeugen seien völlig üblich. Der Beweisantritt der Beklagten in der Berufungsinstanz durch Benennung von 5 Zeugen sei nicht entschuldigt. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass nur die benannten Zeugen am 5.11.2011 als Türsteher eingesetzt gewesen seien.
Der Kläger beantragt:
Die Beklagte wird über die bisherige Verurteilung hinaus auch verurteilt, an den Kläger eine angemessene Entschädigung gem. § 21 AGG zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, 5.000,- EUR jedoch nicht unterschreiten soll, und die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Jedenfalls eine Entschädigung in Höhe der geforderten mindestens 5.000,- EUR sei völlig unangebracht und unangemessen. Angesichts des Alters des Kl...