Verfahrensgang

LG Stuttgart (Entscheidung vom 05.12.2016; Aktenzeichen 25 O 145/16)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 5. Dezember 2016 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

3. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 10.977,77 EUR

 

Gründe

I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Die Annahme des Landgerichts, dass dem Widerrufsrecht der Klägerin der Einwand der Verwirkung entgegensteht, ist nicht zu beanstanden.

a) Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt, neben einem Zeitmoment, für das die maßgebliche Frist mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrags zu laufen beginnt, ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen kann das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs nach diesen Maßgaben schutzwürdig sein. Das gilt in besonderem Maße, wenn die Beendigung des Darlehensvertrags auf einen Wunsch des Verbrauchers zurückgeht (BGH Urteile, vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15 -, Rn. 40; vom 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15 - Rn. 37; vom 11. Oktober 2016 - XI ZR 482/15 -, Rn. 30).

b) Da der Widerruf mehr als 11 Jahre nach Abschluss des Darlehensvertrages erklärt wurde, liegt das für die Verwirkung notwendige Zeitmoment vor. Auch das weiter erforderliche Umstandsmoment ist zu bejahen.

Soweit die Klägerin geltend macht, das Widerrufsrecht sei ihr bei Rückführung des Darlehens nicht bekannt gewesen und die Beklagte habe von einer entsprechenden Kenntnis auch nicht ausgehen dürfen, schließt das eine Verwirkung nicht aus.

Der Senat hat in vergleichbaren Fällen, in denen den Darlehensnehmern im Zeitpunkt der vorzeitigen Vertragsbeendigung ihr Widerrufsrecht nicht bekannt war, zuletzt angenommen, der Wunsch des Verbrauchers, das Darlehen vorzeitig zurückzuführen, habe für sich genommen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit eines späteren Widerrufs keine Indizwirkung, sondern sei neutral, weshalb sich die darlehensgewährende Bank dadurch nicht in der Annahme bestärkt sehen und kein Vertrauen bilden könne, ein Widerruf werde nicht mehr erklärt. Das Verhalten des Darlehensnehmers im Zusammenhang mit der einvernehmlichen Vertragsbeendigung habe keine weitergehende Aussagekraft als sein vertragstreues Verhalten während der Vertragslaufzeit, das ein schutzwürdiges Vertrauen in das Ausbleiben des Widerrufs nicht rechtfertige (zuletzt OLG Stuttgart, Urteil vom 23. Mai 2017 - 6 U 192/16 -, Rn. 39).

Demgegenüber kann dem Wunsch des Verbrauchers, den Vertrag vorzeitig zu beenden, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch in diesen Fallgestaltungen - abhängig von den weiteren Umständen - maßgebliches Gewicht beizumessen sein (BGH, Beschluss vom 12. September 2017 - XI ZR 365/16 -, Rn. 8 zum Urteil des Senats vom 23. Mai 2017 - 6 U 192/16). Dass der Darlehensgeber davon ausging oder ausgehen musste, der Darlehensnehmer habe von seinem Widerrufsrecht keine Kenntnis, schließt eine Verwirkung nicht aus (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 455/16 -, Rn. 21).

Vor diesem Hintergrund hält der Senat im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung an seiner bisherigen Auffassung nicht mehr fest und misst dem Umstand, dass der Darlehensnehmer die vorzeitige Vertragsbeendigung gewünscht hat, auch in Fällen wie dem vorliegenden im Rahmen der gebotenen Würdigung des Einzelfalles maßgebliches Gewicht bei, sodass die Tatsache, dass der Darlehensnehmer vom Bestehen seines Widerrufsrechts keine Kenntnis hatte und der Darlehensgeber diese auch nicht unterstellen durfte, das Umstandsmoment nicht ausschließt.

Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, die Beklagte sei nicht schutzwürdig, weil sie durch die fehlerhafte Widerrufsbelehrung den eingetretenen Schwebezustand selbst zu verantworten habe und sie zudem in der Lage gewesen wäre, diesen durch eine Nachbelehrung zu beenden. Wurde der Vertrag auf Wunsch des Verbrauchers vorzeitig beendet, stehen weder der ursprüngliche Mangel der Widerrufsbelehrung noch der Umstand, dass es der Unternehmer in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher nachzubelehren, der Annahme der Verwirkung entgegen (BGH, Urteil vom 11....

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