Leitsatz (amtlich)

1. Eine Berufung, mit der lediglich eine andere Urteilsbegründung begehrt wird (hier: Rückübertragung des Erbbaurechts wegen des Heimfallrechts und nicht wegen des Wiederkaufs; Zahlung nicht aufgrund eines Schadensersatzanspruchs, sondern als Erbbauzins) ist unzulässig, weil die erforderliche formelle Beschwer fehlt.

2. Die wirksame Ausübung des Heimfallrechts führt nicht zu einer Beendigung des Erbbaurechts, denn der Heimfall ist als schuldrechtlicher Anspruch auf Übertragung des Erbbaurechts an den Grundstückseigentümer ausgestaltet. Vielmehr endet das Erbbaurecht mit dessen Löschung im Grundstücksgrundbuch.

3. Die Kaufberechtigung des Erbbauberechtigten i.S.d. § 2 Nr. 7 ErbbauRG kann durch Vertrag näher geregelt werden. Es ist deshalb zulässig, die Verkaufsverpflichtung des Grundstückseigentümers mit einem Recht des Wiederkaufs zu verknüpfen, das damit Teil des Erbbaurechts wird.

4. Auch wenn gemäß § 32 Abs. 1 S. 2 ErbbauRG im Fall eines Heimfallanspruchs eine angemessene Vergütung für das Erbbaurecht vertraglich ausgeschlossen werden kann, ist dies einer öffentlichen Körperschaft untersagt, wenn der Erbbaurechtsvertrag dann gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung (§ 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB) verstößt und zu einer unzumutbaren Belastung für den Vertragspartner der öffentlichen Körperschaft führt. Das ist dann der Fall, wenn der öffentlichen Körperschaft bei Ausübung des Heimfallrechts eine im Rahmen des Erbbaurechts vom Erbbauberechtigten bestimmungsgemäß geschaffene erhebliche Werterhöhung entschädigungslos zu Gute käme.

 

Normenkette

BauGB § 11 Abs. 2 S. 1; BGB § 456; ErbbauRG § 2 Nr. 7, §§ 26, 32; ZPO § 511 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 28.09.2021; Aktenzeichen 17 O 1045/18)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 22.02.2024; Aktenzeichen V ZR 191/22)

BGH (Urteil vom 19.01.2024; Aktenzeichen V ZR 191/22)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 28.09.2021, Az. 17 O 1045/18, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt zu erklären, dass das im Erbbaugrundbuch der Gemeinde L. unter Nr. ...7 eingetragene Erbbaurecht an dem im Grundbuch von L. für O. in Blatt...4 BV Nr. 6 gebuchten Grundstück

Gemarkung O. Flst. .../5, W.-Straße Gebäude- und Freifläche 25 a 24 m2 auf die Klägerin übertragen wird, und zu bewilligen, dass das Erbbaugrundbuch und das Grundbuch entsprechend umgeschrieben werden.

Der Beklagte wird verurteilt, das Bauwerk der Moschee bis zur Übertragung des Erbbaurechts gegen Brand- und Elementarschäden aller Art zum Neuwert zu versichern und den Versicherungsschein vorzulegen.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 110.425,00 EUR zu bezahlen.

Im Übrigen werden die Klage und die Widerklage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin verworfen. Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.

IV. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts Stuttgart sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung aus Ziff. I.1. durch Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,00 EUR sowie aus Ziff. I. 2. durch Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe erbringt.

Im Übrigen kann der Beklagte die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags erbringt.

V. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für die erste Instanz auf 3.062.338,00 EUR und für die zweite Instanz auf 3.191.177,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt die Rückübertragung eines Erbbaurechts, die Versicherung des Bauwerks und die Zahlung des Erbbauzinses bis zur Rückgabe des Grundstücks.

Der Beklagte begehrt widerklagend die Auflassung des Grundstücks, die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ausübung des Wiederkaufsrechts sowie die Feststellung der Pflicht der Klägerin, Schadensersatz zu leisten für Schäden, die ihm aufgrund der Ausübung des Heimfallrechts und Wiederkaufsrechts entstanden seien.

Der Beklagte sollte auf dem klägerischen Grundstück in der W.-Straße in O. die Möglichkeit erhalten, eine Moschee zu errichten.

Die Baupläne umfassten in einem 1. Bauabschnitt die Errichtung eines Kulturhauses und einer Moschee nebst Außenanlagen und in einem 2. Bauabschnitt die Errichtung eines Schülerwohnheims, eines Bistros, eines Friseurs und eines Ladens mit Halal-Produkten. Die Klägerin hatte die Änderung des Bebauungsplans für die Errichtung einer Moschee auf Grundlage des Aufstellungsbeschlusses vom 28.07.2009 am 25.11.2014 beschlossen.

Die Parteien schlossen am 26.11.2014 einen Erbbaurechtsvertrag, auf dessen Inhalt (Anl. K 1) verwiesen wird, für eine Laufzeit von 60 Jahren mit einer Verlängerung um weitere 30 Jahre im Falle eines...

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