Leitsatz (amtlich)
Wird ein Kraftfahrzeug von einem unberechtigten Fahrer in Gebrauch genommen und verursacht dieser einen Unfall, kann sich der Haftpflichtversicherer gegenüber dem Geschädigten unabhängig davon auf die sich aus § 158 c Abs. 3, 4 VVG ergebenden Haftungsbeschränkungen berufen, ob der Halter durch sein Verschulden die Benutzung des Fahrzeugs ermöglicht hat.
Beteiligte
Pamela Bo., … vertreten durch ihre Eltern |
Pamela Bo., … vertreten durch ihre Eltern |
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Aktenzeichen 6 O 2613/98) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird Ziffer 2 des Urteils der 6. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 21.09.1999
abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin 2/3 der zukünftigen materiellen Schäden zu ersetzen, die aus dem Unfallereignis vom 18.11.1995 resultieren, soweit diese nicht bereits auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind oder übergehen.
Die Haftung der Beklagten Ziff. 2 ist auf die Mindestversicherungssumme von 1 Million DM begrenzt. Die Beklagte Ziff. 2 haftet nicht, soweit die Klägerin in der Lage ist. Ersatz ihres Schadens von einem anderen Schadensversicherer oder von einem Sozialversicherungsträger zu erlangen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 1/3, die Beklagten als Gesamtschuldner 2/3. Die Kosten der Berufung werden gegeneinander aufgehoben.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwerte:
Schmerzensgeldanspruch: |
190.000,– DM |
Feststellungsantrag: |
20.000,– DM |
Beschwer der Klägerin: |
bis 60.000,– DM |
Tatbestand
Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 18.11.1995 gegen 21.50 Uhr in Bad R. ereignete.
Die Klägerin, geboren am 26.06.1981, und der Beklagte Ziff. 1. geboren am 24.03.1978, waren befreundet. Sie begaben sich am Unfalltag zunächst zu dem Zeugen C. und nahmen dort, zusammen mit weiteren Bekannten, alkoholische Getränke zu sich. Anschließend gingen sie zu Fuß zur Wohnung des Vaters des Beklagten Ziff. 1.
Vor der Wohnung stand der dem Vater des Beklagten Ziff. 1 oder dessen Lebensgefährtin gehörende Pkw Opel Kadett, … Der Beklagte Ziff. 1, der keine Fahrerlaubnis besaß und – möglicherweise bereits zu einem früheren Zeitpunkt – den Fahrzeugschlüssel ohne Wissen seines Vaters an sich gebracht hatte, fuhr zusammen mit der Klägerin los. Nach einem Wendemanöver in der F.straße beschleunigte er das Fahrzeug so stark, dass er kurz vor der Einmündung der Bürgermeister-H.-Straße nach links aus der Kurve getragen wurde und auf den Gehweg geriet. Von dort schleuderte der Pkw zurück auf die Fahrbahn und prallte gegenüber der Einmündung frontal auf einen Baum.
Die Klägerin erlitt u. a. ein Schädelhirntrauma und Polytrauma links, eine Fraktur der 4. und 5. Rippe links, eine Lungenkontusion, einen Pneumothorax links, multiple Beckenringfrakturen sowie eine armbetonte Hemiparese rechts. Die Klägerin, die nach wie vor an unfallbedingten Gesundheitsstörungen leidet, war bislang nicht in der Lage, einer Berufstätigkeit nachzugehen. Die beim Beklagten Ziff. 1 um 23.40 Uhr entnommene Blutprobe ergab einen mittleren BAK-Wert von 0,83 Promille.
Die Beklagte Ziff. 1 hat Abschlagszahlungen in Höhe von 15.000,– DM geleistet. Die Klägerin ist der Auffassung, dass hiervon 10.000,– DM auf ihren Schmerzensgeldanspruch anzurechnen seien und hat erstinstanzlich die Geltendmachung eines weiteren Schmerzensgeldes in Höhe von 140.000,– DM für angemessen gehalten.
Die Parteien haben darüber gestritten, ob und ggf. in welcher Höhe der Klägerin ein Mitverschulden zur Last fällt. Die Beklagten haben vorgetragen, dass der Klägerin bekannt gewesen sei, dass der Beklagte Ziff. 1 über keine Fahrerlaubnis verfügt habe und alkoholbedingt fahruntüchtig gewesen sei. Außerdem habe sie ihn zur Inbetriebnahme des Pkw's aufgefordert.
Die Klägerin hat beantragt:
- Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner dazu verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen zukünftigen Schäden zu ersetzen, die aus dem Unfallereignis vom 18.11.1995 resultieren, soweit sie nicht bereits auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind.
Die Beklagten haben beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
Das Landgericht … hat der Klage mit Urteil vom 21.09.1999 unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Klägerin in Höhe von 1/3 stattgegeben. Das Urteil wurde den Parteivertretern am 30.12.1999 zugestellt. Die Beklagten haben mit Schriftsatz vom 27.01.2000, eingegangen am 28.01.2000, Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 28.03.2000 fristgerecht begründet.
Die Beklagten haben zunächst vorgetragen, dass Schadensersatzansprüche wegen der bewussten und besonders gravierenden Selbstgefährdung der Kl...