Leitsatz (amtlich)
1. Art. 16 TextilkennzVO (VO EU Nr. 1007/2011) erfordert auch eine Angabe der Textilkomponenten eines Mehrkomponenten-Textilerzeugnisses, obwohl Art. 11 in Art. 16 Abs. 1 TextilkennzVO nicht genannt wird.
2. Die Verwendung der Bezeichnung "Polyamid mit Polyurethan" verstößt gegen Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Anhang I TextilkennzVO.
Normenkette
TextilkennzVO Art. 5, 11, 16; UWG §§ 3a, 5a
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 22.02.2018; Aktenzeichen 11 O 183/17) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 22.02.2018, Az. 11 O 183/17, wird verworfen, soweit sich die Berufung gegen die Verurteilung wendet, es ab sofort zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs den Abschluss entgeltlicher Verträge mit Verbrauchern über Kleidung/Textilien, die einen Gewichtsanteil von Textilkomponenten von mehr als 80% aufweisen, anzubieten, wenn im Rahmen der Kennzeichnung der Faserzusammensetzung dieser Bekleidungsgegenstände Begriffe verwendet werden, die nicht in der deutschen Fassung des Anhangs 1 der TextilKennzVO aufgeführt sind.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 22.02.2018, Az. 11 O 183/17, sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
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Streitwert: 26.000 EUR
Gründe
I. 1. Beide Parteien sind im Onlinehandel für Fahrräder und Fahrradzubehör tätig. Die Beklagte hat die Klägerin bereits mehrfach wegen Verstöße gegen die Textilkennzeichnungsverordnung abgemahnt.
Am 22.02.2017 vertrieb die Beklagte über ebay und amazon eine Laufmütze mit den folgenden Angaben zur Textilzusammensetzung (Screenshot vom 22.02.2017, Anlage K5, Bl. 12):
"SHELL: 100% POLYESTER; WINDSTOPPER*MEMBRANE; 100% POLYESTER; INSERT: 88% NYLON; 12% ELASTANE"
Ebenfalls über ebay und amazon vertrieb die Beklagte am 22.02.2017 auch Fahrrad-Handschuhe mit folgenden Angaben zur Textilzusammensetzung (Screenshot vom 22.02.2017, Anlage K6, Bl. 13):
"Material: Oberhand: 91% Polyester, 6% Elastan, 3% sonstige FasernInnenhand: 100% Polyamid mit PolyurethanEigenschaften: Schlicht schön: ..."
Mit zwei Anwaltsschreiben vom 01.03.2017 mahnte die Klägerin die Beklagte ab, im ersten Abmahnschreiben neben vier weiteren Verstößen u.a. deshalb, weil die Angaben zur Laufmütze in englischer Sprache erfolgt seien, im zweiten Abmahnschreiben, weil die im Angebot der Fahrrad-Handschuhe verwendete Bezeichnung "Polyamid mit PolyurethanEigenschaften" nicht im Anhang 1 der Textilkennzeichnungsverordnung aufgeführt sei (Anlage K7, Bl. 14). Die beiden Abmahnschreiben erhielt die Beklagte per Fax innerhalb von drei Minuten. Eine Reaktion der Beklagten auf die Abmahnungen erfolgte nicht.
Auf den Antrag der Klägerin erließ das Landgericht Stuttgart eine einstweilige Verfügung, die das Landgericht auf den Widerspruch der Beklagten bestätigte (Anlage K8, Bl. 15). Die dagegen eingelegte Berufung nahm die Beklagte zurück (Anlage K10, Bl. 66).
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt:
1. Die Beklagte hat bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, es ab sofort zu unterlassen
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs den Abschluss entgeltlicher Verträge mit Verbrauchern über Kleidung/Textilien, die einen Gewichtsanteil von Textilkomponenten von mehr als 80% aufweisen, anzubieten, wenn die nach Art. 16 Abs. 1, Abs. 3 Textilkennzeichnungsverordnung zu machenden Angaben in englischer Sprache erfolgen und/oder wenn im Rahmen der Kennzeichnung der Faserzusammensetzung dieser Bekleidungsgegenstände Begriffe verwendet werden, die nicht in der deutschen Fassung des Anhangs 1 der TextilkennzVO aufgeführt sind, insbesondere wie geschehen in den beiden als Anlage K5 und K6 beigefügten Angeboten.
2. Die Beklagte hat Auskunft darüber zu erteilen, seit wann und in welchem Umfang Handlungen gem. Klagantrag Ziff. 1 begangen wurden.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr aus den Handlungen gem. Klagantrag Ziff. 1 entstanden ist und/oder noch entstehen wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte wendet ein, dass die Abmahnungen gem. § 8 Abs. 4 S. 1 UWG unzulässig seien, weil die Klägerin die Beklagte am gleichen Tag mit zwei gesonderten anwaltlichen Abmahnschreiben abgemahnt und pro Abmahnschreiben eine 1,5-Geschäftsgebühr geltend gemacht habe. Außerdem liege...