Verfahrensgang

LG Ravensburg (Entscheidung vom 12.05.1998; Aktenzeichen 5 O 1764/97)

 

Tenor

  • 1.

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg vom 12. Mai 1998 wird

    zurückgewiesen.

  • 2.

    Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

  • 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert der Berufung und

Beschwer des Klägers:

9.000, -DM.

 

Gründe

(abgekürzt nach § 543 I ZPO)

Die Berufung ist zulässig. Sie ist aber, ohne daß es weiterer Beweiserhebung zur Unfallbedingtheit der behaupteten körperlichen und psychischen Beschwerden bedarf, als unbegründet zurückzuweisen. Mit dem vorgerichtlich bezahlten Schmerzensgeld von 2.500,- DM ist der Kläger ausreichend entschädigt. Den Feststellungsanträgen ist die Grundlage dadurch entzogen, daß der Kläger in der Berufungsverhandlung angegeben hat, daß die früher geklagten Beschwerden jetzt nicht mehr bestünden.

1.

Es könnte schon fraglich sein, ob der Kläger überhaupt den notwendigen Beweis dafür geführt hat, daß er durch den Unfall eine Gesundheitsbeschädigung in Form der behaupteten, aber bestrittenen HWS-Distorsion I. Grades mit BWS- und Schulterprellung erlitten hat. Für diese die haftungsbegründende Kausalität betreffende Voraussetzung des Schmerzensgeldanspruchs bedarf es des Vollbeweises nach § 286 ZPO (BGH NJW 1987, 705). Für ihn reicht nicht aus, daß die Haftungsfrage als solche feststeht und es bei dem Unfall zu einem Sachschaden gekommen ist. "Für den Nachweis der Körperverletzung beginnt der Kläger wieder bei Null" (so Lemcke NZV 1996, 337, 338 Ziff. III). Zwar bedarf es keiner mathematischen Sicherheit, der Eintritt einer Körperverletzung muß aber in der Überzeugung des Gerichts mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewißheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen, feststehen; bleiben ernsthafte Zweifel, geht das zu Lasten des Klägers (BGHZ 53, 245, 256).

Grundlagen für eine solche dem Maßstab des § 286 ZPO genügende Beweisführung fehlen. Eine Erhebung von objektiven Befunden bei oder unmittelbar nach dem Unfall hat nicht stattgefunden. Die vom Kläger vorgelegten beiden Atteste der Ärzte Dr. H. und Dr. W. vom 28.10. bzw. 12.12.1996 besagen zu solchen Befunderhebungen nichts. Sie enthalten keine Aussagen zu aufgrund körperlicher Untersuchung oder mittels bildgebender Methoden verifizierten Feststellungen. Vielmehr beruhen sie allein auf den subjektiven Beschwerdebeschreibungen des Klägers, die dieser, wie unterstellt werden kann, aufgrund seiner damaligen Befindlichkeit mitgeteilt hat. Bei diesem Zustandekommen können auch die angeordneten ärztlichen Maßnahmen wie Schanz'sche Krawatte und Medikamentenverordnungen und auch die Krankschreibung und Bestätigung der gestaffelten Arbeitsunfähigkeits-Grade keine Grundlagen für eine haftungsrechtliche Beweisführung liefern. Vielmehr sind die Atteste nur Belege, die allein etwas dazu aussagen, daß der Arzt die Beschwerden aus therapeutischer Sicht als feststehend angesehen und seine Maßnahmen als indiziert angesehen hat. Die Atteste stellen, auch wenn man sie nicht als Gefälligkeitsatteste werten muß, nur eine Verdachtdiagnose auf, taugen aber nicht als gutachterliche Aussage, die unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten beweiskräftig sein könnte. Als Beleg für eine Gesundheitsbeschädigung i.S. einer auf strukturellen Veränderungen beruhenden Körperverletzung sind sie wertlos (vgl. OLG Düsseldorf r + s 1997, 457, 458; AG Beckum r + s 1997, 458; Anm. zu beiden von Lemcke a.a.O., 459; Lemcke NZV 1996, 339 Ziff. IV).

Auch der Sachverständige Prof. We. hat weder bei seiner Untersuchung des Klägers noch aufgrund der am Unfalltag oder der von ihm selbst am 24.03.1998 angefertigten Röntgenbilder irgendwelche objektiven Anzeichen dafür gefunden, daß der Kläger das behauptete Trauma erlitten hat.

Auch ein aufgrund bestimmten gravierenden Kollisionsablaufs grundsätzlich möglicher Anscheinsbeweis für die Entstehung einer HWS-Distorsion kann hier nicht weiterhelfen (s. dazu OLG Düsseldorf r + s 1997, 457, 458). Ob der Unfallablauf im Streitfall (seitlicher Anstoß aufgrund Vorfahrtsverletzung) diesen Anscheinsbeweis rechtfertigt, kann mangels näheren Vertrags des Klägers und ohne Unfallakten nicht gesagt werden.

Es bedarf aber auch keiner weiteren Aufklärung. Denn letztlich kann hier zugunsten des Klägers unterstellt werden, daß er die behauptete HWS-Distorsion I. Grades nebst Prellungen tatsächlich erlitten hat und daß diese eine für den Tatbestand der §§ 823 I, 847 BGB hinreichende Körperverletzung darstellt. Das entspricht auch dem Ergebnis des vom Landgericht zugezogenen SV Prof. We. Er hat es als durchaus "vorstellbar" bezeichnet, daß es seinerzeit zu einer Verletzung der Wirbelsäule und der linken Schulter gekommen ist (GA S. 14).

2.

Der Kläger hat aber nicht bewiesen, daß die behaupteten Folgebeschwerden körperlicher und psychischer Art, auf die er seinen weitergehenden Schmerzensgeldanspruch stützt, durch den Unfall und d...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?