Leitsatz (amtlich)
1. Bei reinen Vermögensschäden hängt die Zulässigkeit einer Feststellungsklage von der Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadenseintritts ab. Sie ist unzulässig, wenn der Eintritt irgendeines Schadens ungewiss ist, der Kläger muss vielmehr schon für die Zulässigkeit der Klage eine Vermögensgefährdung substantiiert dartun, d.h. die Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadens.
2. Ein Rechtsstreit zwischen einem Gläubiger und einem Schiffseigner (oder einer dem Schiffseigner nach § 5c Abs. 1 BinSchG gleichgestellten Person) wegen eines Anspruchs aus der Verwendung des Schiffes kann trotz Eröffnung des schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahrens fortgesetzt werden, soweit der Gläubiger die unbeschränkte Haftung des Schiffseigners behauptet und daher den Anspruch außerhalb des Verteilungsverfahrens weiterverfolgen will.
3. Ein (Zeit-)Chartervertrag ist immer dann gegeben, wenn der Auftragnehmer die Verfügungsgewalt über sein Schiff behält, sich aber verpflichtet, auf längere Zeit für den Auftraggeber Güter zu befördern, der mit dem Schiff auf eigene Rechnung Transporte betreibt. Der Umstand, dass mehrere (juristische) Personen dasselbe Schiff auf eigene Rechnung zur Durchführung von Transporten nutzen, steht der Annahme eines Chartervertrages grundsätzlich nicht entgegen.
Normenkette
HGB §§ 407, 425, 428, 435, 452a, 459; BinSchG §§ 4, 5b, 5c, 5d; SVertO §§ 8, 41; ZPO §§ 256, 538 Abs. 2 Nr. 3
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 24.02.2010; Aktenzeichen 40 O 48/09 KfH) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Vorsitzenden der 40. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart vom 24.2.2010 - 40 O 48/09 KfH - wird, soweit sich diese gegen die Beklagte Ziff. 1 richtet, mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unbegründet abgewiesen wird.
2. Auf die Berufung der Klägerin wird in Bezug auf die Beklagte Ziff. 2 das erstinstanzliche Verfahren und das Urteil des Vorsitzenden der 40. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart vom 24.2.2010 - 40 O 48/09 KfH - aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über den Klaganspruch der Klägerin an das LG zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens vorbehalten bleibt.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert in beiden Rechtszügen: 63.620 EUR.
Gründe
A. Die Klägerin begehrt im Wege der Feststellungsklage von den Beklagten die Freistellung von gegen sie gerichteten Ansprüchen der Firma A. L. GmbH aus einem Transportschaden bei der Havarie des Binnenschiffes MS "E." am 25.3.2007.
Die Firma A. L. GmbH, eine internationale Spedition mit Sitz in H.(im Folgenden: Firma A.), wurde im März 2007 von der Firma S. D. GmbH (im Folgenden: Versenderin) mit dem Versand zweier Container (Nr. H. 4... und T. 5...) vom Werk der Versenderin in S. zum Sitz ihrer Tochtergesellschaft S. T. Ltd. in T. (Empfängerin) beauftragt. Beide Container enthielten insgesamt 162 Fässer mit Chemikalien (Klebstoffkomponenten). Mit der Durchführung der Beförderung beauftragte die Firma A. die Klägerin mit Sitz im Inland, die den Auftrag unter dem 15.3.2007 bestätigte (vgl. Booking Confirmation gemäß Anlage K 2). Gemäß dem Auftrag der Klägerin sollte die Beklagte Ziff. 1 den Transport der beiden Container mit einem Gewicht von 17.280 kg und 13.100 kg jeweils netto vom Hafen S. bis zum Seehafen R ... durchführen. Zur Erfüllung dieses Auftrages bediente sich die Beklagte Ziff. 1 der Beklagten Ziff. 2, der Ausrüsterin des Binnenschiffes MS "E." mit Sitz in der S., mit der die Beklagte Ziff. 1 am 23.6.2006 eine als Chartervertrag bezeichnete Vereinbarung abgeschlossen hatte (Anlage B 2). Bei der MS "E." handelt es sich um ein offenes Schiff, das nicht über geschlossene Laderäume oder Ladeluken verfügt.
Am 23.3.2007 wurden die beiden Container der Versenderin in S. (zusammen mit weiteren Containern) auf die MS "E." verladen. Nachdem in M. am 24.3.2007 weitere Güter zugeladen wurden, wobei sich die zweite bis vierte Lage der transportierten Container alle "über Deck" befanden, gingen bei einem Drehmanöver bei K. am 25.3.2007 bei starker Schieflage des Schiffes u.a. die beiden über Deck geladenen Container der Versenderin über Bord. Bei der Havarie fielen insgesamt 32 Container der beförderten 103 Container in den R ... Die streitgegenständlichen Container konnten am 27.03. bzw. 28.3.2007 geborgen werden (vgl. Anlage K 8).
Die Firma A. nimmt die Klägerin in einem beim LG Hamburg unter dem Aktenzeichen 411 O 79/08 geführten Rechtsstreit wegen des Transportschadens an den Chemikalienfässern auf Zahlung von 79.525 EUR nebst Zinsen in Anspruch. In diesem Prozess wurde beiden Beklagten des vorliegenden Rechtsstreits durch die Klägerin, die dortige Beklagte, der Streit verkündet. Beide Streitverkündete sind dem vor dem LG Hamburg noch anhängigen Prozess auf Seiten der dortigen Beklagten als Streithelfer beigetreten. Durch Grundurteil vom 10.2...