Entscheidungsstichwort (Thema)
Die Sache ist seit Juli 2021 beim BGH und somit noch nicht rechtskräftig.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 17.02.2021; Aktenzeichen 2 O 295/20) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 17. Februar 2021 verkündete Urteil des Landgericht Stuttgart - Az. 2 O 295/20 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
a. Das Versäumnisurteil des LG Stuttgart vom 16.12.2020, Az. 2 O 295/20, wird aufgehoben.
b. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 30.965,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.11.2020 Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs der Marke XY mit der FIN ... zu bezahlen.
c. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt der Kläger 15% und die Beklagte 85%.
3. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrags, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags erbringt.
4. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert: 37.004,15 EUR
Gründe
I. Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung im Zusammenhang mit dem Erwerb eines von der Beklagten hergestellten Kraftfahrzeugs.
Er erwarb am 27.11.2014 für 44.000 EUR einen XY (Anlage K2, Bl. 40 d.A). Das Fahrzeug wurde übergeben, der Kaufpreis bezahlt.
Das Fahrzeug war mit einem Dieselmotor vom Typ EA 189 (EU 5), der vom sogenannten "Abgasskandal" betroffen ist, ausgestattet. Der Kläger verlangt von der Beklagten, der Herstellerin des Motors, Schadensersatz.
Für das Fahrzeugmodell lag zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Fahrzeugs wie auch zum Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger eine EG-Typgenehmigung vor. Die Motorsteuergerätesoftware verfügte über eine Fahrzykluserkennung; diese erkennt, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt. Die Software weist zwei unterschiedliche Betriebsmodi auf. Im NEFZ schaltet sie in den Modus 1, in dem es zu einer höheren Abgasrückführungsrate und zu einem verminderten Ausstoß von Stickoxiden (NOx) kommt. Außerhalb des NEFZ wird das Fahrzeug im Modus 0 betrieben.
Mitte Oktober 2015 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) gegenüber der Fahrzeugherstellerin den Rückruf von 2,4 Millionen betroffenen Fahrzeugen an und vertrat die Auffassung, dass es sich bei der in den Fahrzeugen verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Es ordnete an, die entsprechende Software aus allen Fahrzeugen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie der Anträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
1. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da die geltend gemachten Ansprüche aus § 826 BGB mit Ablauf des Jahres 2018 verjährt seien. Ein Anspruch aus § 852 BGB bestehe nicht, da dem Kläger kein "rein wirtschaftlicher Schaden" entstanden sei.
2. Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers.
Die Voraussetzungen für den Beginn der Verjährung seien im Jahr 2015 noch nicht erfüllt gewesen, da der Kläger 2015 noch nicht ausreichende Kenntnisse von den die Sittenwidrigkeit begründenden Ansprüche gehabt habe. Grob fahrlässige Unkenntnis sei nicht anzunehmen.
Jedenfalls sei durch das Aufspielen des Software-Updates eine neue Verjährung in Gang gesetzt worden, da damit ein Thermofenster implementiert worden sei, welches wiederum eine - neue - illegale Abschalteinrichtung darstelle. Denn er habe im Vertrauen darauf, dass durch das Software-Update der ordnungsgemäße Zustand wiederhergestellt würde, auf eine Geltendmachung seiner Ansprüche verzichtet.
Sollte dennoch Verjährung eingetreten sein, stünde dem Kläger jedenfalls ein Anspruch aus § 852 BGB in Höhe des geltend gemachten Anspruchs zu. Die Vorschrift sei auf den streitgegenständlichen Fahrzeugerwerb anwendbar. Der bezahlte Verkaufspreis sei der Beklagten zzgl. 6% Umsatzrendite zugeflossen. Auf Umstände, die die Bereicherung minderten, könne sich die Beklagte aufgrund der verschärften Haftung nicht berufen.
Der Kläger beantragt:
1. Das am 17. Februar 2021 verkündete Urteil des Landgericht Stuttgart - Az. 2 O 295/20 - wird abgeändert.
2. Das Versäumnisurteil vom 16.12.2020, Az. 2 O 295/20, wird aufgehoben.
3. Die Beklagte wird verurteilt, 37.004,15 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.11.2014 Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs der Marke XY mit der FIN ... an die Klagepartei zu zahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Herrn Rechtsanwalt ..., ..., in Höhe von 1.550,80 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Pro...