Entscheidungsstichwort (Thema)

Entschädigung

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 29.01.1986; Aktenzeichen 15 O 213/85)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 26.05.1998; Aktenzeichen 1 BvR 180/88)

BGH (Urteil vom 10.12.1987; Aktenzeichen III ZR 220/86)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 29. Januar 1986 (15 O 213/85) wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch jeden Beklagten durch Sicherheitsleistung von je DM 9.000 abwenden, sofern jeder Beklagte nicht vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Wert der Beschwer des Klägers:

DM 108.431,46.

 

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer eines forst- und landwirtschaftlichen Betriebs, der im mittleren Schwarzwald (Kintzigtal) im Ortsteil Altenburg der Gemarkung Schönberg liegt und einen Wirtschaftswald von 54,27 ha umfaßt. Der Wald besteht im wesentlichen (94 % der Fläche) aus einem stark holzreichen Plenterwald mit Tannen, Fichten und Buchen. Die forstwirtschaftlichen Erträge sind die Existenzgrundlage des Klägers.

Er hat vorgetragen,

seit Mitte der 50er Jahre sei der Zuwachs an Holz in seinem Wald zurückgegangen, und seit 1973 seien in seinem Wald äußerlich sichtbare Schädigungen an einzelnen Bäumen und am gesamten Bestand festzustellen. Während zunächst nur die Tannen betroffen gewesen seien, zeigten seit 1980 die Fichten und Buchen ebenfalls Schäden. Eine Schadensinventur im September 1983 habe ergeben, daß bereits 89 % der Bäume Schadens Symptome wie Nadelverluste, Nadelverfärbung, Wasserreiserbildung oder tote Äste aufwiesen, ferner, daß die Schädigungen zu einem sehr starken Rückgang des laufenden Zuwachses an Holz von vormals 10 Vorratsfestmeter/Hektar auf derzeit höchstens 7 Vorratsfestmeter/Hektar geführt hätten.

Die Schäden seien als Teil des in Deutschland großräumig auftretenden Waldsterbens anzusehen. Dieses beruhe in erster Linie auf den großräumig wirkenden Luftverunreinigungen, vor allem in Gestalt von Schwefeldioxid und seine „Umwandlungsprodukte” sowie Stickoxyden. Als Verursacher der Waldschäden kämen hauptsächlich drei Immissionsbereiche in Betracht: Emissionen von gewerblichen und industriellen Anlagen, Emissionen von privaten Feuerungsanlagen (Ölheizungen) und Emissionen von Kraftfahrzeugen, Luftverkehrs- und Schienenfahrzeugen. Das Waldsterben breite sich mehr und mehr aus. Es zerstöre die Struktur seines Plenterwaldes und damit den Charakter seines Forstbetriebs. Der laufende Schaden des Betriebs liege bei mindestens DM 370 Reinertrag pro Jahr und Hektar. Sein gesamter Schaden belaufe sich auf wenigstens 1 Mio DM. Mit der Klage werde der in den Jahren 1983, 1984 und 1985 entstandene Schaden geltend gemacht, und zwar unter Bezugnahme auf die Schadensberechnung („Modellrechnung 2”) in dem im Beweissicherungsverfahren 4 H 16/83 des Amtsgerichts Freudenstadt erstatteten Gutachten von Prof. Dr. Dr. hc. Speidel, Institut für Forsteinrichtung und forstliche Betriebswirtschaft in Freiburg (Breisgau) vom 31.10.1984, S. 73 ff. Diesen Schaden hätten die Beklagten nach den Grundsätzen des enteignungsgleichen/enteignenden Eingriffs zu ersetzen, weil die oben genannten Emissionen hoheitlich genehmigt, zugelassen oder erlaubt worden seien; darin liege ein Eingriff in seinen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb im Sinne des Enteignungsrechts. Auch das Tatbestandsmerkmal der Unmittelbarkeit des Eingriffs sei gegeben, da die Waldschäden typische, aus der Eigenart der hoheitlichen Maßnahme (Zulassung von Emissionen) hervorgegangene Schadensfolgen darstellten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn DM 108.431,46 zuzüglich 4 % Zinsen seit Klageerhebung zu bezahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben vorgetragen, selbst wenn zugunsten des Klägers davon auszugehen sei, daß die neuartigen Waldschäden möglicherweise ohne die Luftverunreinigungen durch die genannten Emissionsbereiche nicht entstanden wären, sei offen, welche Schadstoffe in welchem Ausmaß an den schadensverursachenden Vorgängen beteiligt seien. Ein großer Teil der Luftemissionen, in denen der Kläger die Ursache für die Waldschäden sehe, rühren aus dem Ausland her. Eine Entschädigungspflicht bestehe weder nach den Grundsätzen des enteignungsgleichen/enteignenden Eingriffs noch aus dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf die dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 29.01.1986, veröffentlicht in VersR 1986, 250, die Klage abgewiesen.

Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihm am 29. Januar 1986 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.02.1986 Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel, mit dem er seinen erstinstanzlichen Klageantrag weiterverfolgt, innerhalb verlängerter Frist am 23.04.1986 begründet.

Die Beklag...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge