Leitsatz (amtlich)

1. Die Zuständigkeit nach Art. 5 EuGVVO gilt für alle Streitigkeiten aus einem Vertrag, auch für Schadensersatzklagen wegen Leistungsstörungen oder Verletzung von Nebenrechten. Für die Bestimmung des Erfüllungsorts i.S.v. Art. 5 EuGVVO ist die Verpflichtung heranzuziehen, die dem vertraglichen Anspruch entspricht, auf den der Kläger seine Klage stützt.

2. Erfüllungsort für die Verpflichtung zur Abgabe einer empfangsbedürftigen Willenserklärung ist der Wohnort des Erklärungsempfängers.

 

Verfahrensgang

LG Tübingen (Urteil vom 10.02.2003; Aktenzeichen 2 O 103/02)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des LG Tübingen vom 10.2.2003 - 2 O 103/02 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten der Berufung zu je einem Sechstel.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn der Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert: 4.357.574,72 Euro.

 

Gründe

I. Die Kläger verlangen vom Beklagten Schadensersatz wegen der Verletzung von Pflichten im Zusammenhang mit dem Verkauf von Aktien.

Die Parteien hielten - gebunden durch einen Poolvertrag vom 1.4.1992 (Bl. 45 ff. d.A.), geändert durch Vereinbarung vom 27.11.1995 (Bl. 53 d.A.) - als Familienaktionäre die Mehrheit der Aktien der X AG in Y. In dem Pool waren insgesamt 60,19 % aller Aktien der gebunden. Der Beklagte - der Neffe des Klägers zu 1) - hielt 16,93 %. Der Poolvertrag enthielt zum einen in § 4 die Verpflichtung zur einheitlichen Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung, zum anderen räumte er in § 5 Abs. 2 und 3 wechselseitige Vorkaufsrechte der Poolgesellschafter an den poolgebunden Aktien ein.

Am 9.8.1998 beschlossen die Poolgesellschafter bei einem Treffen auf dem Stuttgarter Flughafen mehrheitlich, dass der Kläger zu 1) in seiner Eigenschaft als Poolgeschäftsführer während eines annehmbaren Zeitraums mit einem dritten Unternehmen über eine Verschmelzung verhandeln solle, sofern sich das Unternehmen zu einem Erwerb der in dem Pool gebundenen Aktien verpflichte. Falls dies nicht möglich sei, könne der Kläger zu 1) mit einem Konkurrenten Verkaufsverhandlungen einleiten (K 5; italienisches Original Bl. 56 d.A.; deutsche Übersetzung Bl. 202 d.A.). Der Wohn- und Geschäftssitz des Klägers zu 1) lag damals im Bezirk des LG Tübingen.

Im Frühjahr 2001 trat der Kläger zu 1) mit der Z in Verhandlungen über den Erwerb einer mehrheitlichen Beteiligung am Grundkapital der X AG ("Verkaufsverhandlungen 1. Phase"). Nachdem die Verkaufsverhandlungen fortgeschritten waren, verlangte der Kläger zu 1) von den übrigen Mitgliedern des Pools die Unterzeichnung einer Blankovollmacht, die ihn zum Verkauf ihrer Aktien legitimierte (B 1; vgl. Ziff. 4 des in englischer Sprache abgefassten Entwurfs Bl. 248 f. d.A.).

Die Kläger zu 2) bis 5) unterzeichneten die Vollmachtsurkunden, der Beklagte dagegen weigerte sich. Er übermittelte dem Kläger zu 1) am 29.3.2001 einen neu formulierten Vollmachtsentwurf, der u.a. die Bedingung enthielt, dass die Vollmacht nur gemeinsam mit den übrigen Poolmitgliedern in einem einheitlichen Vertrag unterzeichnet werden müsse (K 6, Bl. 58 ff. d.A.).

Nach weiterem Schriftverkehr sowie der Erstellung weiterer Vertragsentwürfe betreffend das Innenverhältnis zwischen dem Kläger zu 1) und den von ihm zu vertretenden Poolmitgliedern trafen sich der Kläger zu 1) und der Beklagte im Beisein ihrer Rechtsanwälte, der Zeugen M, C und A am 28.5.2001 im Büro des Klägervertreters zu einer Verhandlung. Deren Inhalt und Ergebnis sind streitig. Im Nachgang zu dieser Verhandlung erstellte der Klägervertreter einen neuen Entwurf (K 8, Bl. 66 d.A.) und übermittelte ihn über die Zeugen A und C dem Beklagten mit der Maßgabe, dass dieser den Entwurf bis zum Wochenende unterschrieben zurücksenden solle. Der Beklagte teilte durch Anwaltsschreiben vom 1.6.2001 (K 9, Bl. 72 d.A.) mit, dass er diesen Vereinbarungsentwurf nicht akzeptieren werde. Hauptstreitpunkte waren die Form des Abschlusses der Vereinbarung, Modalitäten und Fristen der Notifizierung des Verkaufs der Aktien und die Ausgestaltung der Vollmacht. Einen vom Beklagten erstellten eigenen Vollmachtsentwurf erklärte der Kläger zu 1) durch Anwaltsschreiben vom 1.6.2001 für nicht konsensfähig.

Mit Schreiben vom 27.6.2001 erklärte der Kläger zu 1), dass der Beklagte mangels einer Verkaufsvollmacht in der letzten Fassung des Kaufvertragsentwurfs mit der Z aus der Liste der Verkäufer gestrichen sei, da die Käuferin auch unter Ausschluss der Aktien des Beklagten eine einfache Aktienmehrheit erreichen könne (B 11, Bl. 272 d.A.).

Am 7.7.2001 wurde mit der Z ein Aktienkaufvertrag über sämtliche Aktien der Kläger zu 2) bis 5) sowie des Beklagten sowie ein Aktien-Options-Kaufvertrag über die Aktien der Kläger zu 1) und zu 6) ausgefertigt. In beiden Verträgen war als Kauf bzw. ...

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