Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 17.05.2019; Aktenzeichen 3 O 248/18) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 17.05.2019, Az. 3 O 248/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil sowie das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte mit Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis 35.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen des Erwerbs des streitgegenständlichen Fahrzeugs, da dieses von der Beklagten mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen worden sei.
1. Der Kläger erwarb das streitgegenständliche Fahrzeug Mercedes Benz GLK 220 CDI 4MATIC am 26.04.2017 von einem Dritten als Gebrauchtfahrzeug mit einem Kilometerstand von 23.000 km zum Preis von 34.500,00 EUR.
Das im April 2015 erstmals zugelassene Fahrzeug wurde von der Beklagten hergestellt, ist mit einem Motor mit der Bezeichnung OM 651 ausgestattet und verfügt über eine EG-Typgenehmigung nach der Schadstoffklasse Euro 5. Es ist von einem Rückrufbescheid des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung betroffen, der am 21.06.2019 - also nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils - erlassen wurde.
In dem Fahrzeug kommt eine Abgasrückführung (AGR) zur Anwendung, bei der das im Rahmen der Verbrennung entstandene Abgas in den Brennraum zurückgeleitet wird und somit erneut an der Verbrennung teilnimmt, was sich mindernd auf die Stickoxidemissionen (NOx-Emissionen) auswirkt. Die AGR arbeitet bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug u.a. temperaturgesteuert, wird also beim Unterschreiten einer Schwellentemperatur reduziert (sog. "Thermofenster"). Die technischen Details und die rechtliche Bewertung dieser Funktion sind streitig.
Weiter ist die Funktion "geregeltes Kühlmittelthermostat" (auch "Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung", daher im Weiteren KSR) implementiert. Die verzögerte Erwärmung des Motors führt bei aktivierter KSR zu niedrigeren NOx-Emissionen. Auch hinsichtlich dieser Funktion ist streitig, wann bzw. unter welchen Umständen sie abgeschaltet wird und wie dies sodann rechtlich zu bewerten ist. Der o.g. Bescheid des KBA ist mit der Feststellung einer Abschaltbedatung dieser Funktion begründet, die das KBA für unzulässig hält. Die Beklagte hat gegen diesen Bescheid Widerspruch eingelegt und nach Zurückweisung desselben Anfechtungsklage erhoben; über diese ist noch nicht entschieden.
Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 11.12.2017 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm binnen zwei Wochen einen Betrag in Höhe von insgesamt 26.376,00 EUR als Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung zu bezahlen.
Am 17.03.2023 wies das seit August 2021 stillgelegte Fahrzeug eine Laufleistung von 148.888 km auf.
2. In erster Instanz hatte der Kläger vorgetragen,
im streitgegenständlichen Fahrzeug seien die Funktionen Bit 13, Bit 14, Bit 15 und "Slipguard" programmiert. Das Zusammenspiel dieser Programmierungen und des zugestandenen "Thermofensters" wirke so, dass das Fahrzeug erkenne, wann es sich auf dem Prüfstand befinde und entsprechend die Emissionen positiv beeinflusse, was im Realbetrieb nicht der Fall sei. Das Thermofenster sei so gestaltet, dass die Abgasreinigung im Temperaturbereich zwischen 20 und 30 °C, der für den NEFZ-Zyklus vorgeschrieben sei, zu 100 % arbeite. Bei niedrigeren Temperaturen fahre die Abgasreinigung auf Grundlage dieses Thermofenster herunter bzw. schalte sich irgendwann sogar gänzlich ab.
Hätte die Klagepartei von der nicht gesetzeskonformen Motorsteuerungssoftware, dem deutlich erhöhten Schadstoffausstoß und dem damit ggf. drohenden Entzug der Typengenehmigung gewusst, hätte sie das streitgegenständliche Fahrzeug nicht erworben.
Es sei davon auszugehen, dass der damalige Vorstandsvorsitzende oder sonstige maßgebliche Organe Kenntnis von der Entwicklung und dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtungen gehabt und diese gebilligt oder sogar selbst angewiesen hätten. Der Motor und die Motorsteuerung seien wesentliche Elemente im Rahmen der Entwicklung eines Kraftfahrzeuges. Dass der Vorstand oder sonstige maßgebliche Organ in diesen Prozess nicht einbezogen worden wären, sei schwer vorstellbar.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart führe - was unstreitig ist - ein Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter der Beklagten wegen des Verdachts des Betrugs und der strafbaren Werbung, in dessen Zuge im Mai 2017 die Durchsuchung von elf Objekten veranlasst worden sei.
Der Kläger hatte in erster Instanz die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung, mith...