Leitsatz (amtlich)

1. Zur Sittenwidrigkeit bei Unterstellung einer unzulässigen Abschalteinrichtung.

2. Zur Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6, 27 EG FGV oder i.V.m. Vorschriften der VO (EG) Nr. 715/2007 oder der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 692/2008.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 2, § 826; EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 21.01.2022; Aktenzeichen 17 O 126/21)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21.01.2022 abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Berufung der Klagepartei wird zurückgewiesen.

3. Die Klagepartei trägt die Kosten des Rechtstreits in beiden Instanzen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klagepartei wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern diese nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis 16.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. A. Die Klagepartei verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen des Erwerbs des streitgegenständlichen Fahrzeugs, da dieses von der Beklagten mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen worden sei.

Die Klagepartei kaufte das streitgegenständliche Fahrzeug Mercedes-Benz GLK 220 CDI 4Matic am 19.12.2015 von der Beklagten mit einer damaligen Laufleistung von 54.619 km zu einem Preis von 29.890,00 EUR. Das Fahrzeug war von der Beklagten unter Verwendung eines Motors mit der Bezeichnung OM 651 hergestellt worden und verfügt über eine EG-Typgenehmigung nach der Schadstoffklasse Euro 5.

In dem Fahrzeug kommt eine Abgasrückführung (AGR) zur Anwendung, bei der das im Rahmen der Verbrennung entstandene Abgas in den Brennraum zurückgeleitet wird und somit erneut an der Verbrennung teilnimmt, was sich mindernd auf die Stickoxidemissionen (NOx-Emissionen) auswirkt. Die AGR arbeitet bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug u.a. temperaturgesteuert, wird also beim Unterschreiten einer Schwellentemperatur reduziert.

Weiter verfügt das streitgegenständliche Fahrzeug über eine sogenannte "Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung" (KSR), auch als "geregeltes Kühlmittelthermostat" bezeichnet, bei der die - durch den Einsatz einer Kühlung - verzögerte Erwärmung des Motoröls zu niedrigeren NOx-Emissionen führt.

Mit Schreiben vom 19.01.2021 forderte die Klagepartei die Beklagte zur Leistung von Schadensersatz auf. Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Am 04.11.2021 wies das streitgegenständliche Fahrzeug eine Laufleistung von 180.697 km auf.

Erstinstanzlich hat die Klagepartei zuletzt beantragt für Recht zu erkennen:

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 14.629,21 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 03.02.2021 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeuges Mercedes GLK 220 CDI 4MATIC mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ...3.

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeuges GLK 220 CDI 4MATIC mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ..3 seit dem 03.02.2021 in Annahmeverzug befindet.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von weiteren vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 520,50 EUR (netto) von der ... Partnerschaft von Rechtsanwälten freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

B. Das Landgericht hat in der Sache wie folgt für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.033,31 EUR ab dem 09.03.2021 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Mercedes-Benz GLK 220 CDI 4MATIC mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ...3.

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Klageantrag Ziff. 1 benannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht u.a. ausgeführt, der Klagepartei stehe ein Zahlungsanspruch in der tenorierten Höhe gemäß §§ 826, 31 BGB zu.

C. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt mit dem Ziel einer vollständigen Klageabweisung.

Die Beklagte beantragt mit ihrer Berufung für Recht zu erkennen:

die Klage unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 21.01.2022 (Az.: 17 O 126/21) in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klagepartei beantragt

die Berufung zurückzuweisen.

D. Die Klagepartei verteidigt das landgerichtliche Urteil dem Grunde nach greift das Urteil aber insoweit an, als dass bei der anzurechnenden Nutzungsentschädigung diese - entgegen dem Landgericht - auf Basis einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km zu ermitteln sei.

Nachdem die Klagepartei in der Berufungsbegründung den Klageantrag Ziffer 1 noch wie folgt gefasst hatte:

das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21.01.2022 zum Az. 17 O 126/21, te...

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