Entscheidungsstichwort (Thema)
einstweilige Verfügung
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 23.07.1993; Aktenzeichen 15 O 320/93) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 23.07.1993 – 15 O 320/93 – wird
zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: |
10.233,00 DM. |
Gründe
Die Berufung hat keinen Erfolg. Für die begehrte einstweilige Verfügung fehlt es jedenfalls an einem Verfügungsgrund.
1. Der in §§ 935, 940 ZPO vorausgesetzte Verfügungsgrund der wesentlichen Erschwerung der Rechts Verwirklichung bzw. des wesentlichen Nachteils ist nach Auffassung des Senats nicht gegeben.
Allerdings muß die Klägerin bei Inanspruchnahme der Bürgschaft durch das beklagte Land damit rechnen, von ihrer Hausbank gemäß §§ 675, 670 BGB in Regreß genommen zu werden. Dies hätte zur Folge, daß die Klägerin zur Wiedererlangung der Bürgschaftssumme einen Aktivprozeß führen müßte (bei unverändertem Gerichtsstand in S. – § 18 Nr. 1 VOB/B, die nach den Angaben der Parteien im Termin vorliegend vereinbart ist) und daß sie bis zur endgültigen Klärung der Hauptforderung einen Verlust an Liquidität erleiden würde.
Ob diese Nachteile als wesentlich im Sinne des Gesetzes anzusehen sind, läßt sich nicht grundsätzlich, sondern nur nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls entscheiden. Eine Liquiditätseinbuße in Höhe von 30.700,– DM erscheint dem Senat vorliegend hinnehmbar und nicht so gravierend, daß der Erlaß einer einstweiligen Verfügung gerechtfertigt wäre. Diese Summe ist mit 5 % des Auftragsvolumens weder relativ noch absolut besonders hoch. Die Klägerin hat auch keine gravierenden Erschwernisse dargetan, die ihr speziell durch diesen Liquiditätsverlust entstehen könnten, sondern hat im Gegenteil darauf hingewiesen, daß Liquiditätsprobleme bei ihr keine Rolle spielen (vgl. Blatt 41). Zu bedenken ist weiterhin, daß die Klägerin keinerlei Bonitätsrisiko trägt, sondern die Bürgschaftssumme nebst Zinsen gegebenenfalls ungeschmälert zurückerhält. Die im Senatstermin vorgetragene Erwägung, daß ein Rückforderungsprozeß schwierig, langwierig und teuer werden kann, ist gleichfalls nicht von entscheidendem Gewicht: auch wenn dem Antrag der Klägerin vorliegend entsprochen würde, könnte sie keineswegs davor sicher sein, ihrerseits durch das beklagte Land mit einem entsprechendem Verfahren überzogen zu werden.
2. Auch ein Verfügungsanspruch fehlt.
Die Inanspruchnahme einer Bürgschaft auf erstes Anfordern kann nur im Falle offensichtlichen Rechtsmißbrauchs verhindert werden (vgl. etwa BGH BauR 1988, 594), was auch zu gelten hat, wenn die Inanspruchnahme durch eine einstweilige Verfügung untersagt werden soll (OLG Hamm MDR 1991, 636; OLG Frankfurt BB 1993, 96). Ein offensichtlicher Rechtsmißbrauch ist indessen nur anzunehmen, wenn die materielle Berechtigung des Bürgschaftsgläubigers offensichtlich fehlt, während alle Streitfragen tatsächlicher, aber auch rechtlicher Art, deren Beantwortung sich nicht von selbst ergibt, den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ausschließen (BGH BauR 1988, 594). Eine gesicherte Rechtslage in diesem Sinne ist auch bezüglich der Entscheidung des Oberlandesgerichts München (NJW-RR 1992, 218) nicht gegeben, nachdem diese Entscheidung in der Literatur ganz überwiegend Widerspruch hervorgerufen hat (auch Heiermann – vom OLG München noch zustimmend zitiert – ist in der 6. Auflage von Heiermann/Riedl/Rusam, RN 27 a.E. zu § 17 VOB/B von dieser Auffassung abgerückt). Es ist deshalb dem beklagten Land nicht der Vorwurf des Rechtsmißbrauchs zu machen, wenn es sich auf einen ihm günstigen, verbreiteten Rechts Standpunkt stellt.
Indessen bedarf all dies keiner Vertiefung, nachdem der Erlaß der begehrten einstweiligen Verfügung bereits am fehlenden Verfügungsgrund scheitert und die Berufung deshalb zurückzuweisen ist.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nrn. 6 und 10, 711, 713 ZPO., Dr. Janßen, Strobel, Stähle
Fundstellen
Haufe-Index 1121713 |
ZBB 1994, 342 |