Leitsatz (amtlich)
1. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage, die sich gegen einen Beschluss über eine Ausgliederung nach dem UmwG richtet, entfällt nicht deshalb, weil die Ausgliederung nach erfolgreicher Durchführung eines Unbedenklichkeitsverfahrens im Handelsregister eingetragen wird.
2.a) Die Zustimmung eines Mehrheitsgesellschafters zu einem Beschluss über die Ausgliederung zur Aufnahme verstößt gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, wenn er nicht dafür Sorge trägt, dass der Gesellschaft in Form der vom übernehmenden Rechtsträger gewährten Anteile ein angemessener Gegenwert für das übertragene Vermögen zukommt.
b) Da die für die Anteilsbemessung erforderliche Bewertung von Unternehmen oder Unternehmensteilen nach der Ertragswertmethode von einer Vielzahl von Prognosen und Wertungen abhängt, ist sie mit Unsicherheiten behaftet, angesichts derer innerhalb einer Bandbreite verschiedene Ergebnisse der Bewertung vertretbar sind. Werden die für die Anteilsbemessung erforderlichen Unternehmensbewertungen durch selbständige Wirtschaftsprüfer erstellt und durch weitere unabhängige Wirtschaftsprüfer gesondert geprüft, so kommt eine Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht durch die Zustimmung zum Ausgliederungsbeschluss nur dann in Betracht, wenn der objektiv urteilende Mehrheitsgesellschafter Fehler der Bewertung oder der Prüfung hätte erkennen können.
c) Bei der prozessualen Aufklärung der gerügten Bewertungsmängel steht deshalb keine Neubewertung an, sondern nur eine Überprüfung daraufhin, ob die Mängel vorliegen und vom Mehrheitsgesellschafter erkannt werden mussten.
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Urteil vom 24.01.2003; Aktenzeichen 21 O 308/01 KfH) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Heilbronn vom 24.1.2003 – 21 O 308/01 KfH – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Streitwert des Berufungsverfahrens:
Bis zur Teilerledigung im Termin vom 29.10.2003: 100.000 Euro.
Danach: 75.000 Euro.
Gründe
A. Die Klägerin macht als Gesellschafterin der beklagten GmbH die Unwirksamkeit oder Nichtigkeit eines Ausgliederungsbeschlusses geltend, mit dem die Gesellschafterversammlung am 1.8.2001 beschlossen hat, einem Entwurf über einen Ausgliederungs- und Übernahmevertrag zuzustimmen, durch den das operative Geschäft der Beklagten mit einigen Ausnahmen zur Aufnahme durch die A. GmbH ausgegliedert wurde.
Die Klägerin hatte auch die Unwirksamkeit satzungsändernder Beschlüsse vom 1.8.2001 geltend gemacht. Insoweit haben die Parteien in der Berufungsinstanz den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
I.1. Die beklagte GmbH hat vor der streitgegenständlichen Ausgliederung eines der in Deutschland führenden Unternehmen der Milch- und Molkereiwirtschaft betrieben.
Sie ist im Jahr 1999 durch Formwechsel aus der B. AG hervorgegangen. Zur Frage einer angemessenen Barabfindung für Aktionäre, die dem Formwechsel widersprochen hatten, ist beim LG Stuttgart ein Spruchverfahren anhängig.
Das Stammkapital der Beklagten beträgt nominal 77.421.390 Euro. Die Klägerin hält davon einen Geschäftsanteil mit einem Nennbetrag von 600 Euro (0,0008 %); insgesamt sind noch außenstehende Gesellschafter mit zusammen ca. 1 % des Stammkapitals beteiligt (zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung). Mehrheitsgesellschafterin der Beklagten ist die B. b. v., die zu 100 % Tochtergesellschaft der B. C. b. v. ist, beide mit Sitz in den Niederlanden.
Letztere ist auch Mehrheitsgesellschafterin der A. GmbH, die über einige Jahre hinweg bis 2000 durch Umstrukturierung und Zusammenführung verschiedener milchverarbeitender Unternehmen vor allem aus Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Berlin entstanden ist.
2. Die Gesellschafterversammlung vom 1.8.2001 beschloss unter TOP 5 mit einer Mehrheit von 95,71 % der anwesenden Stimmen (vertreten: 95,15 % des Stammkapitals), dem Entwurf eines Ausgliederungs- und Übernahmevertrags mit der A. GmbH zuzustimmen (notariell beurkundetes Protokoll vom 1.8.2001 in Anl. 1 zur Klageschrift, dort insb. S. 12 und 16 f. mit Anl. 6 zur Urkunde). Nach diesem Entwurf sollte der operative Geschäftsbetrieb, d.h. das gesamte Vermögen der Beklagten mit Ausnahme bestimmter Vermögensgegenstände, nämlich insb. der Grundstücke und der Marke „D.”, im Wege der Ausgliederung zur Aufnahme (§ 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG) auf die A. GmbH gegen Gewährung eines Geschäftsanteils an der A. GmbH im Nennwert von 24.507.640 Euro übertragen werden (vollständiger Entwurf in Anl. K 4).
Die Geschäftsführung hatte dazu einen Ausgliederungsbericht vorgelegt, wegen dessen Einzelheiten auf Anl. 3 zur Klageschrift Bezug genommen wird. Ihm lag u.a. ein Be...