Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn der Ausschlagungsfrist, Irrtumsanfechtung der Erbschaftsannahme. Ausschlagungsfrist. Anfechtung. Erbschaftsannahme
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Frage nach dem Vorliegen eines Erbausschlagungsrechts nach § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB kommt es nach der Quotentheorie ausnahmsweise nicht auf den zugewandten Bruchteil, sondern den Wert an, wenn dem Pflichtteilsberechigten nur ein Geldbetrag oder ein einzelner Gegenstand zugewandt wurde und trotz § 2087 Abs. 2 BGB eine Erbeinsetzung vorliegt. Ebenso ist zu verfahren, wenn bei der Berechnung des Pflichtteils Vorempfänge über Anrechnungs- oder Ausgleichspflichten (§§ 2315, 2316 BGB) anzurechnen sind.
Normenkette
BGB §§ 1945, 1954-1955, 2306
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Urteil vom 29.08.2008; Aktenzeichen 8 O 148/08) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des LG Heilbronn vom 29.8.2008 - Az.: 8 O 148/08 Ka - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrages zzgl. eines Aufschlages von 10 % abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages zzgl. eines Aufschlages von 10 % leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Streitwert des Berufungsverfahrens: 37.485,37 EUR.
Tatbestand
I. Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Pflichtteilsanspruch i.H.v. 37.485,37 EUR geltend.
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Gegen die Klagabweisung wendet sich der Kläger mit der Berufung.
Die Frist zur Ausschlagung der Erbschaft könne frühestens mit der Möglichkeit der abschließenden Bewertung des Nachlasses beginnen.
Jedenfalls aber habe das LG die hilfsweise erklärte Anfechtung der Erbschaftsannahme und der Versäumung der Ausschlagungsfrist wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft zu Unrecht verneint.
Der Kläger beantragt:
Unter Abänderung des am 29.8.2008 verkündeten Urteils des LG Heilbronn, Az.: 8 O 148/08 Ka, wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 37.485,37 EUR nebst 5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie hält das landgerichtliche Urteil für zutreffend.
Wegen des Weiteren Berufungsvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 15.1.2009 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II. Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.
1. Zu Recht geht das LG davon aus, dass der Kläger das ihm zugewendete Erbteil nicht fristgerecht ausgeschlagen hat, § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB.
Die Ausschlagungsfrist beträgt 6 Wochen und beginnt mit der Kenntnis vom Anfall der Erbschaft, dem Berufungsgrund und der Beschwerung, §§ 2306 Abs. 1 S. 2, 1943, 1944 BGB.
Mit Testamentseröffnung am 12.7.2006 hatte der Kläger Kenntnis vom Anfall der Erbschaft und vom Berufungsgrund. Er erhielt ferner Kenntnis von dem der Beklagten zugewendeten Vermächtnis und der Anordnung der Testamentsvollstreckung, weswegen er sich auch zur Annahme der Erbschaft noch nicht erklären wollte. Er wurde in diesem Zusammenhang auch über die Geltendmachung seines Pflichtteilsrechts belehrt.
Nach ganz herrschender Meinung ist für den Vergleich zwischen Erbteil und Pflichtteilshöhe und damit für die Frage, ob dem Erben das Ausschlagungsrecht nach § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB zusteht, grundsätzlich die Quotentheorie anzuwenden (Palandt/Edenhofer, BGB, 68. Aufl., § 2306 Rz. 2 f. sowie Münchener Kommentar-Lange, 4. Aufl., § 2306 Rz. 3 m. Fn. 5).
Das bedeutet, nur die Quoten, also die Bruchteilsgrößen, sind maßgebend, nicht aber der Wert. Anderes gilt nur, wenn dem Pflichtteilsberechtigten nur ein Geldbetrag oder ein einzelner Gegenstand zugewandt wurde und trotz § 2087 Abs. 2 BGB eine Erbeinsetzung vorliegt. In diesem Fall muss die Quote des Hinterlassenen aus dem Wertverhältnis zwischen Zuwendung und Gesamtnachlass errechnet werden (MünchKomm/Lange, a.a.O.). Ebenso wird verfahren, wenn bei der Berechnung des Pflichtteils Vorempfänge über Anrechnungs- oder Ausgleichspflichten (§§ 2315, 2316 BGB) anzurechnen sind (Palandt/Edenhofer, a.a.O.; MünchKomm/Lange, a.a.O.).
Die genannten Ausnahmen sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Insbesondere fällt die im Testament verfügte Ausgleichszahlung i.H.v. zuletzt 30.000 DM nicht unter die genannten Vorschriften.
Für den Fristbeginn maßgebend ist die Kenntnis von Umständen, aufgrund deren ein Abwägen und damit ein Handeln erwartet werden kann (BGH WM 1968, 542). Diese Kenntnis hat der Kläger spätestens mit der Auskunft der Beklagten vom 20.8.2006 - zugegangen am 19.9.2006 - erhalten, in der die Größenordnungen von Vermächtnis und Restnachlass schon ausdrucksvoll deutlich wurde.
Die mit Schreiben vom 10.8.2007 erklärte Ausschlagung ist folglich verfristet.
Auf den ...