Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Blendwirkung von Photovoltaik-Anlagen auf Nachbargrundstücke
Leitsatz (amtlich)
Aufgrund der verhältnismäßig geringen Beeinträchtigung im Frühjahr und Herbst für jeweils ca. 4 - 6 Wochen zwischen 14.00 Uhr und 15.00 Uhr durch eine maximale tägliche Blendung von ca. 1 Stunde bei einer Sonnenwahrscheinlichkeit im Frühjahr von ca. 1/3 der aufgeführten Zeiten und im Herbst von ca. der Hälfte der Zeiten sind die zu erwartenden Kosten von ca. 16.000 EUR für den Einbau von neuen Anti-Reflektions-Modulen, ohne dass dadurch eine zukünftige Blendung des klagenden oder anderer Nachbarn ausgeschlossen werden kann, jedenfalls nicht zumutbar i.S.v. § 906 Abs. 2 BGB.
Normenkette
BGB §§ 906, 1004 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 05.02.2013; Aktenzeichen 9 O 320/09) |
Tenor
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des LG Stuttgart vom 5.2.2013 (Az. 9 O 320/09) wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Berufungsstreitwert: bis 20.000 EUR
Gründe
I. Die Parteien streiten um die von der Fotovoltaik-Anlage auf dem Dach der Immobilie des Beklagten ausgehende Blendwirkung und die dadurch entstehende Beeinträchtigung der Kläger. Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien in I. Instanz wird auf das angefochtene landgerichtliche Urteil Bezug genommen.
Das LG hat die Klage abgewiesen, weil zwar die Blendwirkung der von der Solaranlage umgelenkten Sonnenstrahlen in die Wohnung einschließlich des Balkons der Kläger eine Eigentumsbeeinträchtigung i.S.d. § 1004 BGB begründen würden. Die Beeinträchtigung sei jedoch nicht rechtswidrig, da eine Duldungspflicht nach § 1004 Abs. 2 BGB i.V.m. § 906 Abs. 2 BGB bestehe. Zwar liege eine wesentliche Beeinträchtigung der Wohnung der Kläger vor. Von der Fotovoltaik-Anlage des Beklagten gehe im Frühjahr und Herbst für jeweils 4 - 6 Wochen eine maximale tägliche Blendung von ca. 1 Stunde aus. Die Blendung trete nur bei Sonnenschein auf. Bei der Sonnenwahrscheinlichkeit im Frühjahr ergebe sich eine Blendung von ca. 1/3 der aufgeführten Zeit und im Herbst eine Blendung von ca. der Hälfte der Zeit. Jedoch seien die Maßnahmen, die erforderlich seien, um die Blendung zu verhindern, für den Beklagten wirtschaftlich unzumutbar. Die Fotovoltaik-Anlage auf dem Dach des Beklagten stelle eine ortsübliche Grundstücksbenutzung dar. Dabei sei die Privilegierung von Fotovoltaik-Anlagen aufgrund des öffentlichen Interesses an einer stärkeren Nutzung erneuerbarer Energien zu berücksichtigen. Eine nachträgliche Bearbeitung der mit einem hohen Qualitätsstandard gefertigten Module sei nicht möglich. Die von den Klägern vorgeschlagene Aufständerung der Fotovoltaik-Anlage sei mit Kosten von mindestens 12.822,25 EUR verbunden. Auch müsste die andere Seite des Daches mitbenutzt werden und der Ertrag würde zurückgehen. Durch eine Aufständerung könnten andere Personen durch Blendwirkung betroffen sein. Der Austausch der Module durch "blendfreie" Module wäre mit Kosten von ca. 16.243,50 EUR verbunden, ohne dass garantiert wäre, dass es zu einer Verbesserung kommen würde.
Die Kläger sind der Auffassung, eine Duldungspflicht gem. § 902 Abs. 2 BGB bestehe nicht. Auch wenn die Fotovoltaik-Anlage wünschenswert sein möge, rechtfertige dies keine Beeinträchtigung der Kläger. Bei der Abwägung sei zu berücksichtigen, dass Frühjahrs- und Herbstzeiten wichtige Zeiten für den Menschen seien, da die ersten Sonnenstrahlen besonders genossen werden würden. Die Ortsüblichkeit müsse sich auf die Beeinträchtigung beziehen. Das LG habe nicht festgestellt, dass mehrere Grundstücke mit nach Art und Umfang annähernd gleichen Beeinträchtigungen und Wirkungen von Fotovoltaik-Anlagen auf andere Grundstücke hätten. Die Ausführungen zum Klimaschutz würden fehlgehen. Der Beklagte hätte die Anlage auch auf der Westseite seines Daches anbringen können. Dann wären die Kläger nicht beeinträchtigt worden. Auch eine Aufständerung Richtung Süden wäre von vornherein möglich gewesen.
Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit der Änderung der Fotovoltaik-Anlage sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte Regress bei seiner Firma nehmen könne. Auch sei der Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB von der Zumutbarkeit einer Änderung nicht abhängig. Dem Beklagten sei es zumutbar, im Fall der Abänderung eine weitere Dachfläche benutzen zu müssen. Er habe es dann auch hinzunehmen, wenn der Ertrag etwas zurückgehen würde. Die Ausführungen des Sachverständigen S seien spekulativ. Kosten von 12.000 EUR für eine Änderung seien angemessen, damit das Eigentum der Kläger nicht beeinträchtigt werde.
Es sei auch zu berücksichtigen, dass die Wohnung der Kläger im Fall einer Veräußerung weniger wert sei. Im Übrigen würden die Kläger davon ausgehen, dass sie aufgrund ihres Lebensalters die Wohnung noch zumindest für 40 Jahre nutzen werden.
Die Kläger beantragen
1. Das Urteil des LG Stuttgart, Az. 9 O 320/09, vom 5.2.20...