Verfahrensgang
LG Tübingen (Aktenzeichen 5 O 175/01) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Tübingen vom 26.4.2002 – AZ.: 5 O 175/01 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert des Berufungsverfahrens: – 4.619,85 Euro (vgl. Bl. 37 d.A.)
Gründe
I. Das LG hat der Schadensersatzklage des Klägers gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG teilweise stattgegeben. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestandes gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Klage ist abzuweisen, da dem Kläger kein Schadensersatzanspruch gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG zusteht.
1. Die Beklagte ist zwar für den J.-Weg verkehrssicherungspflichtig, sie hat jedoch vorliegend ihre Verkehrssicherungspflicht (Amtspflicht) nicht verletzt.
a) Die Beklagte ist für den J.-Weg verkehrssicherungspflichtig, denn hierbei handelt es sich um eine Gemeindestraße und bezüglich solcher Straßen trägt die Beklagte die Straßenbaulast (§§ 44, 9 Straßengesetz Baden-Württemberg). Die ggü.den Straßenbenutzern bestehende Verkehrssicherungspflicht ist eine Amtspflicht i.S.v. § 839 BGB, denn die Beklagte wird insoweit hoheitlich tätig (vgl. § 59 Straßengesetz Baden-Württemberg).
b) Grundsätzlich muss sich der Straßenbenutzer den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darstellt. Der Verkehrssicherungspflichtige muss jedoch – soweit objektiv zumutbar – die Gefahren ausräumen und ggf. vor ihnen warnen, die für den sorgfältigen Straßenbenutzer nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einstellen kann. Dies bedeutet, dass verkehrssicherungspflichtige Maßnahmen um so weniger zumutbar sind und damit eine Verkehrssicherungspflicht um so weniger besteht, je leichter eine drohende Gefahr dem Straßenbenutzer erkennbar ist. Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus Folgendes:
aa) Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. K. muss zugrundelegt werden, dass der seitliche Längsschlitz des Schachtdeckels in Fahrtrichtung des Klägers die Unfallursache darstellt. Zwar stellt die Einwendung der Beklagten, Ursache für den Sturz des Klägers sei das nicht fest arretierte Vorderrad des Rennrades gewesen, eine theoretische Möglichkeit dar, doch braucht dem nicht mehr weiter nachgegangen zu werden; soweit nämlich die Berufung in diesem Zusammenhang darauf abstellt, das Vorderrad sei durch die Luft geflogen, was für die Nichtarretierung spreche, ist dies unzutreffend. Der Zeuge P. hat vielmehr bekundet, das Gestell ohne Vorderrad sei durch die Luft geflogen.
bb) Die Gestaltung des Schachtsdeckels war durch die damalige Produktion vorgegeben. Richtigerweise hat die Beklagte bzw.deren Bedienstete den Schachtdeckel so angebracht, dass die Strebenöffnungen in Querrichtung zur Fahrrichtung des Klägers stehen, da der überwiegende Verkehr in Straßenrichtung verläuft. Unvermeidlich verlief aber dann auch der Arbeitslängsschlitz des Deckels in Fahrtrichtung des Klägers und stellte somit eine gewisse Gefahrenquelle jedenfalls für Fahrer mit Rennrädern dar, da die Rennräder nur mit dünner Reifenstärke (vorliegend 1,7 bis 1,8 cm) ausgestattet sind.
Das oben unter Ziff. 1. b) erwähnte Kriterium der Zumutbarkeit hat seine berechtigte Funktion bei der Abwägung, ob bei einer Gefahrenlage vom Verkehrssicherungspflichtigen Abhilfe oder vom Verkehrsteilnehmer eine – notfalls gesteigerte – Aufmerksamkeit und entspr. vorsichtiges Verhalten zu verlangen sind (BGH VersR 1983, 39). Da der Benutzer eines Rennrades weiß, dass er infolge der dünnen Reifenstärke durch Unebenheiten, Steine, Gleise etc. und eben auch generell auch durch Schachtdeckel besonders gefährdet ist, hat er insofern eine besondere, erhöhte Aufmerksamkeitspflicht. So muss beim Anblick eines Schachtdeckels bei ihm sofort die gedanklich Warnleuchte angehen, zumal er nicht unbedingt weiß, in welcher Richtung die Streben verlaufen (vgl. zur Aufmerksamkeitspflicht eines Rennradbenutzers auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.3.1993 = Bl. 105). Wie insb. die Lichtbilder 1 und 2 der Verkehrsunfallanzeige (dort Bl. 16) zeigen, war der Schacht farblich deutlich abgegrenzt von der sonstige Fahrbahndecke und als solcher schon von weitem erkennbar. Hinzu kommt, dass die Geschwindigkeit dort auf 30 km/h begrenzt ist und es sich um eine verkehrsarme Straße handelt. Dies bedeutet, dass der Straßenbenutzer sich grundsätzlich auf die Straße bzw.deren Beschaffenheit konzentrieren kann.
Insoweit liegt ggü.der BGH-Entscheidung VersR 1983, 39, in der ausgeführt wird, von einem Radfahrer könne nicht erwartet werden, dass er in jeder Verkehrssituation rechtzeitig die gefährliche Schlitzlänge und Schlitzbreite eines Einlaufrostes erkennt und sich darauf einstellt, ein anderer Sachverhalt vor. Bei dieser Sachlage dürfte die Beklagte u...