Entscheidungsstichwort (Thema)
Einigungsgebühr in Sorgerechtsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1. Auch in Sorgerechtsverfahren kann grundsätzlich eine Einigungsgebühr anfallen.
2. Dies gilt z.B. dann, wenn ein Elternteil seinen Antrag auf Übertragung der Alleinsorge für ein Kind nicht weiterverfolgt und der andere Elternteil dem Antrag hinsichtlich des weiteren Kindes zustimmt.
Normenkette
RVG § 33 Abs. 3-8, § 56 Abs. 2; Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zum RVG Nr. 1000; BGB § 1671 Abs. 1-2
Verfahrensgang
AG Pirmasens (Beschluss vom 18.07.2005; Aktenzeichen 1 F 26/05) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde werden die Beschlüsse des AG - FamG - Pirmasens vom 3.5.2005 und 18.7.2005 aufgehoben.
Die dem Beschwerdeführer aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung wird auf insgesamt 755,54 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Beschwerdeführer bestellte sich im Januar 2005 in einem isolierten Sorgerechtsverfahren für den Antragsteller, in dem dieser die Übertragung der alleinigen, elterlichen Sorge auf sich für die beiden ehegemeinschaftlichen Kinder beantragte.
Mit Beschluss vom 24.2.2005 bewilligte das AG dem Antragsteller hierfür Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers.
Im Anhörungstermin am 9.3.2005 einigten sich die Kindeseltern darauf, dass das alleinige Sorgerecht für den Sohn M. auf den Antragsteller übertragen werden solle, während es hinsichtlich des Sohnes Ma. bei der gemeinsamen elterlichen Sorge verbleiben solle. Weiterhin trafen sie eine Vereinbarung über den Bezug und die Verwendung des Kindergeldes für Ma. Der Antragsteller beschränkte daraufhin seinen Antrag entsprechend auf die Übertragung der elterlichen Sorge für M. Mit Beschluss des FamG vom 9.3.2005 wurde daraufhin das Sorgerecht für M. auf den Antragsteller übertragen.
Mit Beschluss der Kostenbeamtin bei dem FamG vom 3.5.2005 wurde die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu zahlende Rechtsanwaltsvergütung auf 571,30 EUR festgesetzt. Dabei wurde eine von dem Beschwerdeführer mit seinem Antrag geltend gemachte Einigungsgebühr i.H.v. 189 EUR zzgl. Umsatzsteuer abgesetzt.
Der Beschwerdeführer hat wegen dieser Absetzung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss Erinnerung eingelegt.
Der Familienrichter bei dem AG hat mit Beschluss vom 18.7.2005 nach Anhörung des Bezirksrevisors die Erinnerung zurückgewiesen und die Beschwerde gegen diesen Beschluss zugelassen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers.
II. Die nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 bis 8 RVG (schon im Hinblick auf den Wert der Beschwer von - einschließlich Umsatzsteuer (Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl., § 32 RVG Rz. 18) - mehr als 200 EUR statthafte und in zulässiger Weise eingelegte Beschwerde führt in der Sache zum Erfolg.
Die dem Beschwerdeführer aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung richtet sich vorliegend nach den Bestimmungen des RVG (§§ 60, 61 RVG).
Danach steht dem Beschwerdeführer die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 des Vergütungsverzeichnisses (Anlage 1) zum RVG zu. Nach dieser Bestimmung, die an die Stelle des früher geltenden § 23 Abs. 1 S. 1 und 2 BRAGO getreten ist, entsteht die Gebühr für die Mitwirkung des Rechtsanwaltes beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht.
Die Voraussetzungen dieser Regelung sind hier erfüllt.
Bereits unter der Geltung der BRAGO war es umstritten, ob der Rechtsanwalt in einem Sorgerechtsverfahren eine - dort so bezeichnete - Vergleichsgebühr verdienen konnte (bejahend OLG Koblenz v. 11.3.2005 - 7 WF 105/05, OLGReport Koblenz 2005, 685; verneinend 2. Zivilsenat des OLG Zweibrücken v. 10.6.2002 - 2 WF 37/02, OLGReport Zweibrücken 2002, 425 = FamRZ 2003, 241). Als Begründung für die ablehnende Auffassung wurde vornehmlich darauf abgestellt, dass es an einer Verfügungsbefugnis der Eltern über das Sorgerecht fehle und deshalb kein Vergleich i.S.d. § 779 BGB geschlossen werden könne. Die gegenteilige Auffassung verwies demgegenüber auf die weitgehende Bindungswirkung einer Einigung der Eltern nach § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB.
An der Begründung und auch an dem Ergebnis der eine Einigungsgebühr ablehnenden Auffassung kann jedenfalls nach In-Kraft-Treten des RVG nicht festgehalten werden.
Nr. 1000 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG hat, abweichend vom Rechtszustand unter der Geltung der BRAGO, den Abschluss eines Vergleichsvertrages i.S.d. § 779 BGB nicht mehr zur Voraussetzung für das Entstehen der Einigungsgebühr. Von diesem Erfordernis ist der Gesetzgeber bewusst abgerückt, um "jegliche vertragliche Beilegung des Streits zu honorieren" (BT-Drucks. 15/1971, 147 u. 204). Die inhaltlichen Anforderungen an eine solche vertragliche Regelung zur Streitbeilegung hat der Gesetzgeber somit ggü. den Voraussetzungen eines Vergleiches i.S.d. § 779 BGB herabgesetzt, wobei diese geringeren Anforderungen allerdings nicht das erforderliche Vorliegen eines gegenseitigen...