Entscheidungsstichwort (Thema)
Beihilfe zum unerlaubten Anbau von Betäubungsmitteln. Revision
Leitsatz (amtlich)
Beihilfe durch Unterlassen. Den Inhaber eines Grundstückes trifft keine Garantenpflicht, eine Straftat (hier: Anbau von Cannabispflanzen) eines Dritten oder Mitbewohners auf dem Anwesen zu verhindern, wenn die Beschaffenheit des Grundstückes und seine Lage keinen besonderen Bezug zur Straftat haben.
Normenkette
BtMG § 29 Abs. 1; StGB § 13 Abs. 1, § 27 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Neustadt an der Weinstraße (Urteil vom 26.06.1998) |
StA Frankenthal (Pfalz) (Aktenzeichen 5327 Js 24073/97) |
Tenor
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts – Strafrichter – Neustadt an der Weinstraße vom 26. Juni 1998, soweit es die Angeklagte S. M. betrifft, aufgehoben.
2. Die Angeklagte wird auf Kosten der Landeskasse, die auch ihre notwendigen Auslagen zu tragen hat, freigesprochen.
Gründe
Das Amtsgericht Neustadt an der Weinstraße hat den früheren Mitangeklagten U. wegen unerlaubten Anbaus von Betäubungsmitteln und die Angeklagte M. wegen Beihilfe hierzu zu Geldstrafen verurteilt. Mit ihrer gegen das Urteil gerichteten Sprungrevision rügt die Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das zulässige Rechtsmittel hat Erfolg und führt zum Freispruch durch den Senat.
Nach den Urteilsfeststellungen war die Angeklagte alleinige Mieterin eines Anwesens mit Wohngebäude und stark verwildertem, teilweise mit Hecken bewachsenen Gartengelände. Nachdem sie U. in Lebensgemeinschaft bei sich aufgenommen hatte, wurde das Anwesen im Jahre 1997 von beiden bewohnt, wobei U. sich hälftig an den Mietkosten beteiligte.
Mitte März 1997 baute U. 19 Cannabispflanzen in einem eigens gerodeten und zum Schutz mit Maschendraht versehenen Gartenteil an. Dies geschah „über den Kopf der Angeklagten” hinweg, die damit nicht einverstanden war, den Anbau jedoch im Hinblick auf die bestehende Lebensgemeinschaft duldete. Im Juli 1997 wurden die Pflanzen von die Polizei entdeckt und sichergestellt.
Zu Recht geht das Amtsgericht davon aus, dass nach den getroffenen Feststellungen eine Beihilfe der Angeklagten durch positives Tun nicht gegeben ist. Insbesondere hat sie den Garten U. nicht deswegen zur Verfügung gestellt, um ihm den Anbau der Pflanzen zu ermöglichen. Allerdings hält die Auffassung des Strafrichters, die Angeklagte habe sich der Beihilfe zum unerlaubten Anbau von Betäubungsmitteln durch Unterlassen schuldig gemacht, rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Beihilfe durch Unterlassen käme nur in Betracht, wenn die Angeklagte rechtlich verpflichtet gewesen wäre, U. durch geeignete und zumutbare Maßnahmen am Anbau der Cannabispflanzen auf dem Anwesen zu hindern. Nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Lehre folgt aus der Inhaberschaft eines Grundstückes oder einer Wohnung nicht ohne weiteres die Verpflichtung, Straftaten Dritter in den Räumen oder auf dem Gelände zu verhindern (BGHSt 30, 391 ff; BGH NJW 1993, 76; Senat StV 1986, 483 f; Schönke/Schröder/Stree StGB 25. Aufl. § 13 Rdn. 47, 54; SK/Rudolphi StGB § 13 Rdn. 37; LK/Jeschek § 13 Rdn. 44; Tröndle StGB 48. Aufl. § 13 Rdn. 12). Vorliegend war der Täter U. bereits keine außenstehende Drittperson, da er Mitbesitz an dem Anwesen hatte, wenn auch abgeleitet von der Angeklagten. Bereits dies steht der Annahme einer Garantenstellung entgegen. U. hat die Straftat auf dem auch ihm bereits zuvor zur Verfügung stehenden Gartengelände begangen. Eine Garantenpflicht kann sich, worauf das Amtsgericht abstellt, zwar dann ergeben, wenn die Wohnung wegen ihrer besonderen Beschaffenheit oder Lage eine Gefahrenquelle darstellt, die der Wohnungsinhaber so zu sichern und zu überwachen hat, dass sie nicht die Ausführung von Straftaten erleichtert (BGHSt 30, 397). Dieser Ausnahmefall ist hier jedoch nicht gegeben. Dass der Garten umzäunt war und dichten Heckenbewuchs aufwies, ist für Gartengrundstücke keineswegs unüblich und war daher als Mittel für die Tatbegehung von keiner besonderen Bedeutung. Die Cannabispflanzung hätte ebensogut an anderer verdeckter Stelle, etwa in einer Wohnung oder auf einer Terrasse, erfolgen können. Die Beschaffenheit des Grundstücks bzw. Gartens begründete daher keine besondere Gefahrenquelle. Auch seine Lage hatte keinen besonderen Bezug zu der Straftat. Es hat daher bei dem Grundsatz zu verbleiben, wonach der Inhaber eines Anwesens nicht dafür zu sorgen hat, dass dort durch Dritte keine Straftaten begangen werden. Die Angeklagte traf keine Garantenpflicht, die Straftat des U. zu verhindern. Ihr Verhalten stellt keine Beihilfe nach § 26 Abs. 1 StGB dar.
Die Verurteilung kann somit keinen Bestand haben. Da der Sachverhalt umfassend geklärt ist und die Verurteilung lediglich auf unzutreffender rechtlicher Beurteilung beruht, ist die Angeklagte unmittelbar durch den Senat freizusprechen (§ 354 Abs. 1 StPO).
Unterschriften
Dr. Ohler, Maurer, Friemel
Fundstellen
Haufe-Index 1122388 |
NStZ-RR 2000, 119 |
StV 1999, 212 |