Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Kind im Rahmen eines paritätischen Wechselmodells betreut, kann ein Elternteil das Kind zur Geltendmachung von Barunterhaltsansprüchen nicht nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB vertreten, sondern muss entweder die Übertragung der Entscheidungsbefugnis nach § 1628 BGB verlangen oder die Bestellung eines Ergänzungspflegers herbeiführen. Einschlägig ist hier das Recht zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen als Teilbereich der Personensorge, nicht aber die Vermögenssorge.
2. Das Jugendamt kann sich gegen die Bestellung als Ergänzungspfleger nicht mit dem Argument zur Wehr setzen, die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Berechnung des Kindesunterhaltsanspruches im Sonderfall des Wechselmodells seien bei ihm nicht vorhanden.
Normenkette
BGB §§ 1628-1629, 1909
Verfahrensgang
AG Neustadt an der Weinstraße (Aktenzeichen 2 F 217/20) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Ergänzungspflegers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Neustadt an der Weinstraße vom 15. Dezember 2020 in seiner Ziff. 1 geändert:
Den beteiligten Eltern wird das Recht zur Regelung der Unterhaltsangelegenheiten für die Kinder .... (geboren am ... 2007) und ... (geboren am ... 2012) entzogen und auf das Stadtjugendamt ... als Ergänzungspfleger übertragen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Kinder ... und .... sind aus der rechtskräftig geschiedenen Ehe der beteiligten Eltern hervorgegangen. Die Betreuung und Versorgung der Kinder teilen sich die Eltern im Wege eines paritätischen Wechselmodells. Nachdem die Kindesmutter zunächst beantragt hat, ihr gemäß § 1628 BGB die Befugnis zur Geltendmachung von Barunterhaltsansprüchen für die Kinder zu übertragen, erklärten die Eltern im Anhörungstermin vom 9. Dezember 2020 ihr Einverständnis zur "Bestellung eines Ergänzungspflegers mit dem Wirkungskreis Vermögenssorge" für die betroffenen Kinder.
Mit Beschluss vom 15. Dezember 2020, auf den zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz sowie wegen der Gründe verwiesen wird, hat das Amtsgericht - Familiengericht - ... den beteiligten Eltern gemäß § 1666 BGB die Vermögenssorge entzogen und das Stadtjugendamt ... für diesen Wirkungskreis als Ergänzungspfleger bestellt.
Mit seiner Beschwerde richtet sich das Stadtjugendamt ... gegen die Bestellung als Ergänzungspfleger.
Es trägt vor, die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen sei nicht Teil der Vermögenssorge. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass dem Jugendamt das erforderliche Wissen zur Führung eines Unterhaltsstreits bei einem Wechselmodell fehle.
II. Die Beschwerde ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei. Die Beschwerdebefugnis des Jugendamtes, das sich gegen die Bestellung als Ergänzungspfleger wendet und damit die Beeinträchtigung eigener Rechte geltend macht, folgt aus § 59 Abs. 1 und Abs. 3 FamFG (anstatt vieler Zöller-Feskorn, 33 Auflage, § 59 FamFG Rn. 18).
In der Sache führt das Rechtsmittel dazu, dass den Eltern nicht die Vermögenssorge, sondern das Recht zur Regelung der Unterhaltsangelegenheiten als Teilbereich der Personensorge entzogen wird, wobei gegen die Auswahl des zuständigen Stadtjugendamtes als Ergänzungspfleger keine Bedenken bestehen.
1. Das Bedürfnis einer das Sorgerecht betreffenden Regelung folgt daraus, dass eine Vertretung der Kinder zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen ohne weitere Anordnung nicht möglich ist, wenn die Kinder - wie hier - im Rahmen eines paritätischen Wechselmodells betreut werden. Zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen ist gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB nämlich an sich der Elternteil befugt, in dessen Obhut sich die Kinder befinden, der mithin den Schwerpunkt der tatsächlichen Betreuung und Fürsorge übernimmt. Lässt sich ein derartiger Schwerpunkt nicht feststellen, weil die Eltern ein paritätisches Wechselmodell ausüben, muss der Elternteil, der den anderen für barunterhaltspflichtig hält, zur Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen entweder die Übertragung der Entscheidungsbefugnis nach § 1628 BGB verlangen oder die Bestellung eines Pflegers für das Kind herbeiführen, der es bei der Geltendmachung seiner Unterhaltsansprüche vertritt (anstatt vieler BGH, Beschluss vom 12. März 2014, XII ZB 234/13 Rn. 16).
2. Vorliegend hat die Kindesmutter zwar ursprünglich einen Antrag nach § 1628 BGB gestellt, im Anhörungstermin vom 9. Dezember 2020 aber zu verstehen gegeben, dass sie im Einvernehmen mit dem Kindesvater die Bestellung eines Ergänzungspflegers wünscht. Inhaltlich ist aber nicht der Wirkungskreis der Vermögenssorge betroffen, sondern das Recht zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen als Teil der Personensorge (vgl. Oberlandesgericht Zweibrücken, Urteil vom 20. Juni 2000, 5 UF 7/00 = NJW-RR 2001, 151). Die Erklärung der beteiligten Eltern kann jedoch bei verständiger Würdigung dahingehend ausgelegt werden, dass sie die Einrichtung der Ergänzungspflegschaft für den Teilbereich der elterlichen Sorge möchten, der die (gegebenenfalls gerichtliche) Geltendmachun...