Entscheidungsstichwort (Thema)
Familienverfahren: Vollstreckung eines Unterlassungstitels nach dem Gewaltschutzgesetz
Leitsatz (amtlich)
1. Auf § 1 GewSchG gestützte Unterlassungstitel sind gem. § 95 Abs. 1 Nr. 4 FamFG nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung, nämlich nach § 890 ZPO zu vollstrecken. Dabei darf Ordnungshaft, jedoch nicht Zwangshaft angeordnet werden.
2. § 35 FamFG regelt nur die Durchsetzung von gerichtlichen Anordnun-gen, die verfahrensleitenden Charakter haben, also von Zwischenentscheidungen, im Unterschied zu den §§ 86 ff. FamFG, die die Vollstreckung verfahrensabschließender Entscheidungen regeln (Prütting/Helms, FamFG, 2009, § 35 Rz. 1).
3. § 89 Abs. 1 S. 2 FamFG findet allein bei der Vollstreckung von Entscheidungen über die Herausgabe von Personen und die Regelung des Umgangs Anwendung.
Normenkette
FamFG §§ 35, 89, 95; ZPO § 890
Verfahrensgang
AG Germersheim (Beschluss vom 29.01.2010; Aktenzeichen 2 F 436/09) |
Tenor
I. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Familiengericht zurückverwiesen.
II. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 3 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Vollstreckungsschuldner ist aufgrund der Beschlüsse des AG - Familiengericht - Germersheim vom 9.11.2009 und vom 4.2.2010 verpflichtet, es zu unterlassen, in irgendeiner Form Verbindung zu der Antragstellerin, etwa durch Telefonat, Fax, E-Mail oder SMS, aufzunehmen. Ihm ist für den Fall der Zuwiderhandlung u.a. Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (§ 880 ZPO gemeint wohl: 890 ZPO) angedroht worden.
Mit Beschluss vom 28.1.2010 hat das Familiengericht auf Antrag der Vollstreckungsgläubigerin wegen Verstoßes gegen das Unterlassungsgebot "Zwangshaft von drei Monaten" festgesetzt und zur Begründung ausgeführt: Der Beschluss beruhe auf § 35 FamFG. Gemäß § 89 Abs. 1 S. 2 FamFG sei unmittelbar Ordnungs (sic!) haft anzuordnen, da die Anordnung von Ordnungsgeld wegen der hartnäckigen Missachtung des Unterlassensgebots durch den Vollstreckungsschuldner keine Aussicht auf Erfolg verspreche.
Die hiergegen gerichtete, gem. § 35 Abs. 5 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Vollstreckungsschuldners führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und in analoger Anwendung des § 538 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO zur Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht.
Die angefochtene Entscheidung beruht auf schwerwiegenden Verfahrensmängeln. Zwar ist der zu vollstreckende Beschluss des Familiengerichts vom 9.11.2009 ebenso wie der die Frist verlängernde Beschluss vom 4.2.2010 bestandskräftig und grundsätzlich der Zwangsvollstreckung zugänglich. Er enthält unmissverständliche Anordnungen, die möglichen Vollstreckungsmaßnahmen sind bereits angedroht. Der Titel ist dem Vollstreckungsschuldner durch den Gerichtsvollzieher zugestellt worden, einer Vollstreckungsklausel bedarf es gem. den §§ 53 Abs. 1, 86 Abs. 3 FamFG nicht. Gleichwohl entbehrt es dem angefochtenen Beschluss an einer Rechtsgrundlage.
Das Familiengericht hat seinen Beschluss ausdrücklich auf § 35 FamFG gestützt und demzufolge im Beschlusssatz eine "Zwangshaft" festgesetzt. § 35 FamFG regelt allerdings nur die Durchsetzung von gerichtlichen Anordnungen, die verfahrensleitenden Charakter haben, also von Zwischenentscheidungen, im Unterschied zu den §§ 86 ff. FamFG, die die Vollstreckung verfahrensabschließender Entscheidungen regeln (Prütting/Helms, FamFG, 2009, § 35 Rz. 1). Vorliegend ist eine Endentscheidung zu vollstrecken. Deshalb findet die Zwangsvollstreckung nach den §§ 86 ff. FamFG statt. Soweit es um die Zwangsvollstreckung aus einer auf § 1 GewSchG gestützten Unterlassungsanordnung geht, sind gem. § 95 Abs. 1 Nr. 4 FamFG auf die Vollstreckung die Vorschriften der Zivilprozessordnung anzuwenden.
Nach § 890 ZPO ist die Anordnung von Ordnungshaft, nicht jedoch die von Zwangshaft (wie in § 35 FamFG) vorgesehen, wie dies auch im zu vollstreckenden Beschluss angedroht ist. Auch § 89 Abs. 1 S. 2 FamFG findet auf die vorliegende Vollstreckung keine Anwendung, da diese Vorschrift wiederum allein die Vollstreckung von Entscheidungen über die Herausgabe von Personen und die Regelung des Umgangs betrifft. Der Senat sieht sich auch nicht in der Lage, den im Entscheidungssatz des angefochtenen Beschlusses verwendeten Begriff der "Zwangs"haft in die Anordnung von Ordnungshaft umzudeuten, da das Familiengericht ausweislich der Gründe seines Beschlusses nicht die für die Anordnung von Ordnungshaft erforderlichen Voraussetzungen des § 890 ZPO, sondern alleine die des § 89 Abs. 1 S. 2 FamFG geprüft hat (vgl. OLG Bremen FamRZ 2007, 1033).
Angesichts des Umstandes, dass der Vollstreckungsschuldner mit Schriftsatz vom 9.2.2010 ausdrücklich erklärt hat, dass er künftig keinerlei Kontakt zu der Vollstreckungsgläubigerin mehr aufnehmen werde, und auch von der Vollstreckungsgläubigerin keinerlei Belästigungen mehr nach dem 25.1.2010 behauptet werden, hält es der Senat...