Leitsatz (amtlich)
Von einer Leerfahrt, die im Zusammenhang mit einer privilegierten Beförderung gem. § 30 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StVO steht, ist auch dann auszugehen, wenn die Leerfahrt zu einem in der Nähe befindlichen weiteren Abholort nicht privilegierten Güter führt.
Verfahrensgang
AG Pirmasens (Entscheidung vom 30.11.2022; Aktenzeichen 2 OWi 4211 Js 8342/22) |
Tenor
1. Auf Antrag des Betroffenen wird seine Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Pirmasens vom 30.11.2022 zugelassen und die Sache an den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen, weil es geboten ist, das Urteil zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nachzuprüfen (§§ 80 Abs. 1 Nr. 1, 80a Abs. 3 S. 1 und 2 OWiG).
2. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Pirmasens vom 30.11.2022 aufgehoben und der Betroffene freigesprochen.
3. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Landeskasse.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen verbotswidrigen Führens eines LKWs mit Anhänger an einem Sonntag zu einer Geldbuße von 120,- Euro verurteilt.
Gegen diese Verurteilung wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde. Der Einzelrichter des Senats hat die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen und dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden übertragen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Zweibrücken hat beantragt, die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen.
II.
Das Amtsgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
"Am 06.02.2022, einem Sonntag, befuhr der Betroffene um 20:13 Uhr mit seiner Sattelzugmaschine mit Anhänger die B... von ... kommend in Fahrtrichtung .... Die Sattelzugmaschine trug das amtliche Kennzeichen ... und der Anhänger ... Auf dem Gelände der ...Tankstelle in ... wurde der Betroffene einer Verkehrskontrolle durch PK U. und PHK D. unterzogen.
Nach den durch die Polizeibeamten kontrollierten Frachtpapieren hatte der Betroffene Waren für die Firma L. in ... transportiert (u.a. Salat und Fleisch) und sollte dann nach ... zur Firma K. (...) fahren, um am Folgetag Waren aufzunehmen.
Bei der Firma K. handelt es sich um einen Kunststoff produzierenden Betrieb.
Zur rechtlichen Würdigung hat das Amtsgericht ausgeführt: "[]... Im vorliegenden Fall hat der Betroffene verderbliche Ware an einem Sonntag in Baden-Württemberg abgeliefert. Der nächste Auftrag des Betroffenen war im pfälzischen ..., dort handelte es sich um nicht privilegierte Ware. Ein Zusammenhang besteht darin, dass der Auftrag in ... auf den Auftrag der privilegierten Ware folgte. Dieser Zusammenhang reicht vorliegend nicht aus, um eine Ausnahme des Sonntagsfahrverbotes anzunehmen.
III.
Das angefochtene Urteil unterliegt auf die Sachrüge hin der Aufhebung. Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung nicht. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Urteil hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Das Amtsgericht hat in dem festgestellten Verhalten einen Verstoß gegen §§ 30 Abs. 3, 49 StVO, § 24 StVG gesehen.
a) § 30 Abs. 3 Satz 1 StVO verbietet, Lastkraftwagen mit einer zulässigen Gesamtmasse über 7,5 t sowie Anhänger hinter Lastkraftwagen an Sonntagen und Feiertagen in der Zeit von 0:00 Uhr bis 22:00 Uhr zur geschäftsmäßigen oder entgeltlichen Beförderung von Gütern einschließlich damit verbundener Leerfahrten zu führen. Satz 2 der Vorschrift sieht Ausnahmen des Verbotes vor, u.a. gem. Ziff. 2 lit. b) für die Beförderung von frischem Fleisch und frischen Fleischerzeugnissen sowie gem. lit. d) für die Beförderung von leicht verderblichem Obst und Gemüse und gem Ziff. 6 für Leerfahrten, u.a. im Zusammenhang mit den genannten Fahrten gem. Ziff. 2.
b) Zur Frage, wie der Begriff des "Zusammenhangs" mit privilegierten Fahrten auszulegen ist, hat das OLG Celle entschieden, dass der Begriff weit auszulegen sei. Eine einschränkende Auslegung der Norm dehne den bußgeldrechtlich bewehrten Bereich des Fehlverhaltens zum Nachteil der Betroffenen aus, weswegen Zurückhaltung geboten sei. Eindeutig überwiegende Gründe für eine einschränkende Auslegung seien nicht vorhanden (Beschl. v. 26.7.2016 - 1 Ss (OWi) 129/16, BeckRS 2016, 15154). Begründet hat das Gericht seine Ansicht u.a. damit, dass vom Sinn der Ausnahmeregelungen des § 30 Abs. 3 StVO ausgehend, nämlich der Versorgung der Bevölkerung mit bestimmten dort genannten Gütern (vgl. BeckOK StVR/Ritter, 21. Ed. 15.10.2023, StVO § 30 Rn. 17), kaum jemals eine zwingende Veranlassung dafür bestehen dürfte, nach der Transportfahrt im unmittelbaren Anschluss auch noch die Leerfahrt durchzuführen. Mit der Ablieferung der privilegierten Ware am Bestimmungsort sei der Zweck der Ausnahmeregelung nämlich bereits erreicht worden. Der Speditionsunternehmer könnte daher durchaus darauf verwiesen werden, die Rückfahrt erst am folgenden Werktag anzutreten. Dies wäre bei Bereitstellung genügender Fahrzeuge und Fahrer problemlos möglich. Ein zwingender Grund, diese am Sonntag d...