Leitsatz (amtlich)
1. Die Durchsetzung eines Verbotes zur Kontaktaufnahme mit einem minderjährigen Kind ist keine Kindschaftssache im Sinne des § 111 Nr. 2 FamFG, sondern eine sonstige Familienstreitsache im Sinne des § 266 Abs. 1 Nr. 4, 5 FamFG, wenn der/die mit dem Kind nicht verwandte Anspruchsgegner/in keine Bezugsperson im Sinne des § 1685 Abs. 2 BGB ist.
2. Die sorgeberechtigten Eltern können zwar unabhängig von sachlichen oder triftigen Gründen dritten Personen verbieten, Kontakt zu ihrem Kind aufzunehmen. Die Kontaktaufnahme kann gleichwohl gerechtfertigt sein, wenn sie aus Sicht des Anspruchsgegners im Zusammenhang mit dem Recht zur Erziehung des eigenen Kindes ist (Abgrenzung zu der "Dorfoma-Entscheidung" des Oberlandesgerichts Brandenburg vom 12. Februar 2015, 9 UF 24/14).
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, §§ 1004, 1632 Abs. 2; FamFG § 266 Abs. 1 Nrn. 4-5; GG Art. 6; ZPO § 91a
Verfahrensgang
AG Ludwigshafen (Aktenzeichen 5c F 185/23) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller zu 1) und die Antragstellerin zu 2) haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte zu tragen.
3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten nur noch über die Kostengrundentscheidung in dem durch Vereinbarung vom 4. September 2023 beendeten Verfahren.
Die Antragsteller sind die Eltern des Kindes L. (geb. am ... 2015), der die gleiche Grundschulklasse besucht wie der Sohn der Antragsgegnerin.
Die Antragsteller haben beantragt, der Antragsgegnerin zu untersagen, das Kind L... zu kontaktieren, anzusprechen und zu berühren oder sonst ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen und sich dem Kind auf weniger als fünf Meter zu nähern.
Zur Begründung haben sie ausgeführt, die Antragsgegnerin habe sich an ein per Whats-App-Nachricht ausgesprochenes Verbot, ihren Sohn zu kontaktieren, nicht gehalten und die an sie übersandte strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht unterzeichnet. Konkret habe die Antragsgegnerin am 15. April 2023 nach Rückkehr von einem Kindergeburtstag persönlich angesprochen und ihm aufgegeben, den Sohn der Antragsgegnerin und dessen Freund nicht weiter zu ärgern. Damit habe die Antragsgegnerin gegen das auf Grundlage des § 1632 Abs. 2 BGB ausgesprochene Umgangsverbot, für das es keiner sachlichen oder gar triftigen Gründe bedürfe, verstoßen.
Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten und hat vorgebracht, sie habe lediglich Streitigkeiten unter den Kindern mitbekommen und versucht, deeskalierend einzugreifen. Am 15. April 2023 habe sie mitbekommen, dass ihr Sohn und ein weiteres Kind bei Rückkehr von einem Kindergeburtstag von dem Sohn der Antragsteller geärgert worden seeni. Daraufhin habe sie zu den drei Kindern sinngemäß gesagt: "Könnt ihr Euch nicht zukünftig einfach aus dem Weg gehen und in Ruhe lassen."
In der mündlichen Verhandlung vom 4. September 2023 haben die Beteiligten eine Vereinbarung mit folgendem Inhalt geschlossen:
1. Wir sind uns grundsätzlich darüber einig, dass wir Differenzen, Meinungsverschiedenheiten und Streitereien, die unsere jeweiligen Kinder betreffen, grundsätzlich auf Elternebene oder schulischer Ebene klären wollen. Wir sind uns darüber auch im Klaren, dass es im Einzelnen Notsituationen geben kann, in denen es auch zulässig bleibt, das Kind der jeweils anderen Seite unmittelbar anzusprechen.
2. Über die Kosten des Verfahrens einigen wir uns nicht. Hierüber soll das Gericht gem. § 91 a ZPO analog entscheiden.
Mit Beschluss vom 4. September 2023, auf den hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen wird, hat das Amtsgericht - Familiengericht - Ludwigshafen am Rhein den Antragstellern die Kosten auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antrag sei nicht von dem Recht auf Umgangsbestimmung (§ 1632 Abs. 2 BGB) umfasst. Das in Streit stehende Verhalten der Antragsgegnerin stelle keinen Umgang, bzw. Umgangskontakt mit dem Kind dar.
Mit ihrer hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde machen die Antragsteller geltend, ihr Hauptsacheantrag hätte mit Erfolg durchgesetzt werden können. Auch wenn zwischen ihrem Sohn und der Antragsgegnerin weder ein sozial-familiärer noch auch nur ein loser freundschaftlicher Kontakt bestehe, stehe den Antragstellern im Rahmen der Alltagssorge das Recht zu, zu bestimmen und zu regeln, mit wem ihr Sohn Kontakt habe und mit wem nicht. Letztlich habe die Antragsgegnerin dadurch Veranlassung zur Antragseinreichung gegeben, dass sie die ihr übermittelte strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht unterzeichnet habe.
II. 1. Die sofortige Beschwerde ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei, insbesondere nach §§ 91 a Abs. 2 Satz 1 analog, 567 ff ZPO statthaft, nachdem die Beteiligten dem Erstgericht im Rahmen ihrer Vereinbarung auferlegt haben, über die Kosten des Verfahrens gem. § 91 a ZPO analog zu entscheiden. Die Zuständigkeit des Einzelrichters folgt in diesem Fall aus § 568 ZPO. Dabei kann offen bleiben, ob der Streit um das Bestehen von Unterlassungsansprüc...