Leitsatz (amtlich)
Zwar besteht grundsätzlich die Vermutung, dass der Strafvollzug einen Erstverbüßer im Allgemeinen beeindruckt und ihn von weiteren Straftaten abhalten kann; ein strengerer Maßstab ist aber anzulegen, wenn die abgeurteilte Tat dem Bereich der organisierten Kriminalität unterfällt und aus Gewinnstreben heraus begangen worden ist.
Verfahrensgang
AG Schwäbisch Hall (Entscheidung vom 24.09.2021; Aktenzeichen 3 Ds 41 Js 19488/21) |
LG Frankenthal (Pfalz) (Entscheidung vom 25.02.2022; Aktenzeichen 3 StVK 707/21) |
Tenor
- Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Heilbronn wird der Beschluss der Kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 25. Januar 2022 aufgehoben.
- Die Vollstreckung des Strafrestes wird nach Verbüßung von zwei Dritteln der mit Urteil des Amtsgerichts Schwäbisch-Hall vom 16. September 2021, rechtskräftig seit dem 24. September 2021, Az. 3 Ds 41 Js 19488/21, verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten nicht zur Bewährung ausgesetzt.
- Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Verurteilte zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Schwäbisch-Hall erkannte gegen den Verurteilten am 16. September 2021 wegen versuchten Diebstahls im besonders schweren Fall auf eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Die Strafaussetzung zum Halbstrafenzeitpunkt lehnte die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 02. Dezember 2021 ab. Zwei Drittel der Strafe waren am 06. Februar 2022 verbüßt; das Strafende ist auf den 09. Juli 2022 notiert. Durch den angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer die Vollstreckung des Strafrestes der vorstehend ausgeführten Freiheitsstrafe nunmehr zur Bewährung ausgesetzt.
Gegen diesen Beschluss hat die Staatsanwaltschaft Heilbronn sofortige Beschwerde eingelegt.
Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.
II.
Die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung liegen nicht vor. Der von der Strafvollstreckungskammer getroffenen Einschätzung einer positiven Legalprognose tritt der Senat nicht bei. Die Entlassung des Verurteilten kann unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit derzeit nicht verantwortet werden (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB).
Zwar besteht grundsätzlich die Vermutung, dass der Strafvollzug einen Erstverbüßer im Allgemeinen beeindruckt und ihn von weiteren Straftaten abhalten kann (vgl. KG, Beschluss vom 23. Oktober 2018 - 2 Ws 205/18 - 121 AR 242/18, juris; Fischer / StGB, 69. Aufl., § 57 Rn.14). Diese Vermutung besagt jedoch nicht, dass bei einem Erstverbüßer automatisch die erforderliche günstige Prognose im Sinne des § 57 StGB bejaht werden kann. Sie kann vielmehr durch negative Umstände widerlegt werden oder durch die Art der abgeurteilten Tat eingeschränkt sein. Insbesondere erfährt die Vermutung dann Einschränkungen, und es ist ein strengerer Maßstab anzulegen, wenn die abgeurteilte Tat dem Bereich der besonders sicherheitsrelevanten Delikte zuzuordnen ist; dies ist beispielsweise bei organisierter Kriminalität der Fall (vgl. KG, aaO m. w. N.; MüKo/Groß/Kett-Straub, StGB, 4. Aufl., § 57, Rn.19). In welchem Maß es wahrscheinlich sein muss, dass ein Täter nicht wieder straffällig wird, hängt entscheidend von dem Gewicht der bedrohten Rechtsgüter und den Eigenheiten der Persönlichkeit des Verurteilten ab (Senat, Beschluss vom 31. August 2021 - 1 Ws 171/21, juris Rn.8; BVerfG, Beschluss vom 08. November 2006 - 2 BvR 578/02, 2 BvR 796/02, juris, Rn. 92; BGH, Beschluss vom 25. April 2003 - StB 4/03, 1 AR 266/03, juris, Rn. 5; KG, aaO). Das Ausmaß der drohenden Rechtsgutsverletzung bemisst sich dabei unter anderem anhand der vorausgegangenen (abgeurteilten) Tat(en). Überdies ist zu berücksichtigen, wie einem Rückfallrisiko durch Auflagen und Weisungen Rechnung getragen werden kann (vgl. BGH a. a. O.). Das Erprobungswagnis setzt zwar letztlich keine Gewissheit künftiger Straffreiheit, sondern lediglich eine nahe liegende Chance voraus (Fischer, StGB, 69. Aufl., § 57 Rn. 14 m.w.N); Zweifel an der günstigen Prognose gehen jedoch zu Lasten des Verurteilten, weil der Zweifelsgrundsatz im Strafvollstreckungsverfahren nicht gilt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 07. Juli 2011 - 1 Ws 247/11, juris Rn.11 m.w.N.).
Eine hinreichend positive Legalprognose kann dem Verurteilten insbesondere mit Blick auf die zugrundeliegende Tat sowie den fehlenden sozialen Empfangsraum nicht gestellt werden.
Entscheidend gegen eine künftige Straffreiheit des Verurteilten spricht die Qualität der Anlasstat, welche sich durch eine besonders professionelle Tatausführung auszeichnete, die eine gewisse Planung des Tatablaufs erforderlich machte und eine spontane Tatbegehung als abwegig erscheinen lässt. Der Tatablauf selbst lässt eine Organisationsstruktur der Tätergruppe erkennen, ohne die die arbeitsteilige Vorgehensweise (ein Mittäter hielt Wache und der Verurteilte stieg gemeinsam mit einem weiteren Mittäter auf das Dach) nicht durchzuführen gewesen wäre. Aus der Beteiligung des Verurteilten an ei...