Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf wechselbezüglicher Verfügung in Ehegattentestament
Leitsatz (amtlich)
Zur Wirksamkeit des bei Lebzeiten der Ehegatten erklärten Widerrufs einer wechselbezüglichen Erbeinsetzung und zum Nachweis der Zustellung der Widerrufserklärung durch den Gerichtsvollzieher.
Normenkette
BGB § 2271 Abs. 1, § 2296 Abs. 2; ZPO § 418 Abs. 1-2
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 23.12.2004; Aktenzeichen 2 T 907/04) |
AG Bad Neuenahr-Ahrweiler (Aktenzeichen 5 VI 373/04) |
Tenor
I. Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Geschäftswertfestsetzung aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird das Verfahren zur erneuten Sachbehandlung und Entscheidung, auch über die etwaige Erstattung außergerichtlicher Kosten im Verfahren der weiteren Beschwerde, an das LG Koblenz zurückverwiesen.
II. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 1.500.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Beteiligte zu 1) ist der Witwer der am 6.6.2004 im Alter von 62 Jahren verstorbenen Erblasserin G.H.L. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind die aus der Ehe hervorgegangenen Nachkommen.
Die Erblasserin und der Beteiligte zu 1) errichteten am 23.3.1992 handschriftlich ein gemeinschaftliches Testament, worin sie sich gegenseitig zu Universalerben einsetzten.
Am 19.2.2001 erklärte die Erblasserin ggü. dem Beteiligten zu 1) in dessen Abwesenheit in notarieller Form den Widerruf ihrer letztwilligen Verfügung in dem vorbezeichneten Ehegattentestament. Laut der im Original zu den Akten gelangten Zustellungsurkunde wurde eine Ausfertigung der Widerrufserklärung dem Beteiligten zu 1) persönlich am 22.2.2001 durch Vermittlung eines Gerichtsvollziehers zugestellt.
Am 5.6.2002 verfügte die Erblasserin zur Niederschrift eines Notars letztwillig dahin, dass sie zu ihren Erben die Beteiligten zu 2) und 3) zu je ½-Anteilen bestimme.
Die Beteiligten haben nach dem Erbfall unter Berufung auf die ihnen jeweils günstige Verfügung der Erblasserin von Todes wegen widerstreitende Erbscheinsanträge gestellt. Gegen die durch Vorbescheid angekündigte Absicht des Nachlassgerichts, dem Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2) und 3) entsprechen zu wollen, hat der Beteiligte zu 1) Beschwerde eingelegt. Das Rechtsmittel hat er im Wesentlichen damit begründet, er habe zu Lebzeiten der Erblasserin von deren Testamentswiderruf vom 19.2.2001 keine Kenntnis erlangt. Die Annahme der zuzustellenden Widerrufserklärung habe er seinerzeit verweigert, woraufhin der Gerichtsvollzieher das zuzustellende Schriftstück auch nicht etwa zurückgelassen, sondern wieder mitgenommen habe; die Richtigkeit dieser Sachdarstellung hat der Beteiligte zu 1) u.a. in das Wissen des dafür als Zeuge benannten Zustellers gestellt.
Das LG hat mit der nunmehr angefochtenen Entscheidung das Rechtsmittel ohne Durchführung weiterer Ermittlungen zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) mit weiterhin dem Ziel, ihm unter Zurückweisung des Erbscheinsantrags der Beteiligten zu 2) und 3) einen Erbschein zu erteilen, der ihn aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments vom 23.3.1992 als Alleinerben ausweist.
II. 1. Die weitere Beschwerde ist statthaft (§ 27 Abs. 1 FGG), nicht an eine Frist gebunden und auch im Übrigen verfahrensrechtlich bedenkenfrei (§ 29 Abs. 1 S. 1 und 2 FGG). Die Berechtigung des Beteiligten zu 1) zur Einlegung der weiteren Beschwerde ergibt sich gem. §§ 20 Abs. 1, 29 Abs. 4 FGG schon aus der Zurückweisung seiner Erstbeschwerde.
2. Das sonach zulässige Rechtsmittel ist auch begründet und führt in der Sache zu einem jedenfalls vorläufigen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung des LG beruht auf einer Verletzung des Rechts (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO), weil die Zivilkammer entgegen § 12 FGG entscheidungserheblichem Tatsachenvorbringen und Beweisantritt des Beteiligten zu 1) nicht nachgegangen ist und dadurch die sie treffende Pflicht zur Sachaufklärung verletzt hat.
Im Einzelnen gilt dazu Folgendes:
a) Die Beteiligten zu 2) und 3) berufen sich für ihr behauptetes Erbrecht auf das notarielle Testament der Erblasserin vom 5.6.2002. Ihre darin verfügte Erbeinsetzung als Miterben zu je ½ konnte die Erblasserin indes nur wirksam treffen, wenn sie die Bindungswirkung der - im Zweifel wechselbezüglichen (§ 2270 Abs. 2 BGB) - Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1) in dem Ehegattentestament vom 23.3.1992 durch notariell beurkundeten Widerruf diesem ggü. beseitigt hatte (§§ 2271 Abs. 1, 2296 Abs. 2 BGB).
b) Gemäß § 130 Abs. 1 BGB wird der Widerruf von gegenseitig abhängigen Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er dem bei Abgabe der Erklärung abwesenden anderen Ehegatten zugeht oder, was nach § 132 Abs. 1 BGB gleichgestellt wird, diesem durch Vermittlung eines Gerichtsvollziehers nach den Vorschriften der ZPO zugestellt wird. Anders als das LG zu meinen scheint, muss die Widerrufserklärung in Urschrift oder in Gestalt einer Ausfertigung (§ 47 BeurkG) der notariellen Widerrufsverhandlung zugehen; die Über...