Leitsatz (amtlich)
Eine Verhängung von Ordnungsmitteln nach § 89 FamFG gegen den Umgangsberechtigten wegen Kontaktaufnahmen außerhalb der festgelegten Umgangszeiten setzt voraus, dass sich die Untersagung einer solchen Kontaktaufnahmen eindeutig aus dem Tenor der Umgangsregelung ergibt und von dem Hinweis gemäß § 89 Abs. 2 FamFG ausdrücklich erfasst ist.
Normenkette
BGB § 1684; FamFG § 89
Verfahrensgang
AG Landau (Pfalz) (Aktenzeichen 2 F 51/17) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Landau in der Pfalz, Zweigstelle Bad Bergzabern, vom 30. August 2021 abgeändert und neu gefasst:
1. Der Antrag der Antragstellerin auf Verhängung von Ordnungsmitteln gegen den Antragsgegner wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
II. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Gründe
I. 1. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners begegnet verfahrensrechtlich keinen Bedenken, § 87 Abs. 4 FamFG i. V. m. §§ 567 ff ZPO. Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung und Zurückweisung des Ordnungsmittelantrags der Antragstellerin.
Ob eine gerichtliche Umgangsregelung neben der positiven Regelung zur Ausgestaltung des Umgangs stets auch das ordnungsmittelbewehrte konkludente Gebot an den Umgangsberechtigten enthält, außerhalb der festgelegten Umgangszeiten keinen Kontakt zu dem Kind aufzunehmen ist umstritten (vgl. dies befürwortend KG, Beschluss vom 12.2.2015 - 13 WF 203/14, BeckRS 2015, 3301; a. A. OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 31.10.2016 - 2 WF 302/16, BeckRS 2016, 20426).
Die Frage, ob die Auslegung einer Umgangsregelung einen solchen "Kehrseitengedanken" zulässt und ob man bejahendenfalls unterstellen darf, dass der Adressat der Regelung diese auch so verstehen musste, kann dahinstehen. Denn nach Auffassung des Senats widerspricht die Vollstreckung eines sich nicht unzweifelhaft aus der Entscheidung ergebenden Gebots oder Verbots dem vollstreckungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz. Die Untersagung der Kontaktaufnahme muss sich zweifelsfrei aus dem Tenor der gerichtlichen Entscheidung ergeben. Auch der Hinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG muss eindeutig auf die Ausschlussanordnung bezogen sein (vgl. Keidel/Giers, 20. Aufl. 2020, FamFG § 89 Rn. 8; BeckOGK/Altrogge, 1.11.2019, BGB § 1684 Rn. 400.1). Es darf auch nicht verkannt werden, dass selbst bei der Annahme eines sich aus der Umgangsregelung ergebenden konkludenten Gebots, dessen Reichweite völlig im Dunkeln liegt. Dies gilt insbesondere in Ansehung der immer vielfältigeren Kontaktmöglichkeiten im Wege digitaler Kommunikation. Ob dem Umgangsberechtigten konkludent untersagt ist, ein persönliches Treffen herbeizuführen oder gar eine Kurznachricht via Handy an das Kind zu schicken, bleibt offen. Nimmt man ein Verbot jeglicher Kontaktaufnahme außerhalb des geregelten Umgangs an, so würde dies die Beziehung zwischen dem Kind und dem umgangsberechtigten Elternteil wohl dergestalt einengen, dass es weiterer Rechtfertigung bedürfte.
Kommt hiernach letztlich eine Ordnungsmittelfestsetzung nicht in Betracht, so muss ein unangemessenes, das Kindeswohl beeinträchtigendes Verhalten des Umgangsberechtigten dennoch nicht reaktionslos hingenommen werden. Bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen kann dem durch eine Umgangsregelung gemäß § 1684 Abs. 3 BGB, die weitere Kontakte als die festgeschriebenen ausdrücklich untersagt, durch einen entsprechend spezifizierten Umgangsausschluss gemäß § 1684 Abs. 4 oder durch ein Kontaktverbot gemäß § 1666 Abs. 3 Nr. 4 BGB begegnet werden (vgl. Johannsen/Henrich/Althammer/Rake, 7. Aufl. 2020, FamFG § 89 Rn. 8).
2. Die Entscheidung betreffend die Kosten erster Instanz beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG und berücksichtigt die widerstreitenden Interessen.
II. Die Entscheidung betreffend die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG. Eine Wertfestsetzung nach dem FamGKG ist hiernach nicht veranlasst.
Fundstellen
Haufe-Index 15335349 |
NZFam 2022, 1073 |