Entscheidungsstichwort (Thema)
Betreuervergütung: Umstände zur Feststellung der Heimaufnahme eines Betreuten; Kriterien für die Beweisaufnahme; Indiz für die Qualifizierung einer Einrichtung; Umfang des Aufwendungsersatzes bei Ratenzahlung des Betroffenen
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Beantwortung der vergütungsrechtlichen Frage, ob ein Betreuter in einem Heim lebt, ist aus Gründen der Verfahrensökonomie auf formale, ohne weiteres feststellbare und keine umfangreichen, tatsächlichen Feststellungen erfordernde Umstände abzustellen. Das Vergütungsfestsetzungsverfahren ist nicht auf die Durchführung einer Beweisaufnahme, sondern auf eine strikte, an griffige und leicht feststellbare Kriterien gebundene Begriffsbestimmung angelegt.
2. Für die Qualifikation einer Einrichtung ist auch maßgeblich, ob diese dem Heimgesetz und damit der Heimaufsicht unterliegt.
3. Ein Betreuer kann seinen gesamten Vergütungs- und Aufwendungsersatz gegen die Staatskasse geltend machen, und zwar auch dann, wenn der Betreute zur teilweisen Zahlung bzw. zur Ratenzahlung in der Lage wäre.
Normenkette
VBVG § 1 Abs. 2 S. 2, § 5 Abs. 1, 3 S. 1; BGB § 1836 Abs. 1, § 1908i Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankenthal (Pfalz) (Beschluss vom 19.06.2009; Aktenzeichen 1 T 82/09) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 11 KostO). Die Beteiligte zu 3) hat die der Beteiligten zu 2) im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen, außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Der Gegenstandswert des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 264 EUR festgesetzt.
Gründe
1. Auf das vorliegende Beschwerdeverfahren findet nach Art. 111 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit das FGG in der bis zum 31.8.2009 gültigen Fassung Anwendung. Das Rechtsmittel der Staatskasse ist demnach in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 67a Abs. 5, 56g Abs. 5 FGG).
2. Die von dem LG zugelassene sofortige weitere Beschwerde ist demnach statthaft (§§ 69e Satz 1, 56g Abs. 5 Satz 2 FGG) und auch im Übrigen förmlich nicht zu beanstanden (§§ 29 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 2 und 4, 20, 21 Abs. 2, 22 Abs. 1 FGG). Die Beteiligte zu 3 ist beschwerdebefugt i.S.d. § 20 FGG.
3. In der Sache führt das Rechtsmittel jedoch nicht zum Erfolg. Die Kammer hat die dem Beteiligten zu 2) nach §§ 1908i Abs. 1, 1836 ff. BGB, 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG zu bewilligende Vergütung rechtsfehlerfrei festgesetzt. Zu Recht ist sie davon ausgegangen, dass die Vergütung sich im vorliegenden Fall nach den Ansätzen für eine (ursprünglich) bemittelte Betreute, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Heim hat, bemisst (§ 5 Abs. 1 Satz 1 VBVG). Die für die Berechnung der Betreuervergütung hier entscheidende Frage, ob die Betreute in einem Heim lebt, hat die Kammer zu Recht verneint. Im Einzelnen gilt folgendes:
a) Heim im Sinne des Vergütungsrechts sind nach § 5 Abs. 3 Satz 1 VBVG Einrichtungen, die dem Zweck dienen, Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie tatsächliche Betreuung und Verpflegung zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden. Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 VBVG i.V.m. § 1 Abs. 2 HeimG erfüllt dabei alleine die Tatsache, dass ein Vermieter von Wohnraum durch Verträge mit Dritten oder auf andere Weise sicherstellt, dass den Mietern Betreuung und Verpflegung angeboten werden, nicht die Voraussetzungen des Heimbegriffes. Dies gilt auch dann, wenn die Mieter vertraglich verpflichtet sind, allgemeine Betreuungsleistungen wie Notrufdienste oder Vermittlung von Dienst- und Pflegeleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen und das Entgelt hierfür im Verhältnis zur Miete von untergeordneter Bedeutung ist. Eine Einrichtung ist hingegen ein Heim im Sinne der Bestimmung, wenn die Mieter vertraglich verpflichtet sind, Verpflegung und weitergehende Betreuungsleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen.
b) Bei der durch Subsumtion unter die vorstehenden Tatbestandsmerkmale vorzunehmenden Beantwortung der vergütungsrechtlichen Frage, ob ein Betreuter in einem Heim lebt, ist aus Gründen der Verfahrensökonomie auf formale, ohne weiteres feststellbare und keine umfangreichen, tatsächlichen Feststellungen erfordernde Umstände abzustellen. Das Vergütungsfestsetzungsverfahren ist nicht auf die Durchführung einer Beweisaufnahme, sondern auf eine strikte, an griffige und leicht feststellbare Kriterien gebundene Begriffsbestimmung angelegt (BGH, NJW-RR 2008, 739; OLG Brandenburg, BtPrax 2009, 125).
Für den hier zu entscheidenden Fall sind demnach folgende Umstände von Bedeutung:
aa) Die Einrichtung, in der die Betroffene lebt, unterliegt nach der nicht angegriffenen Mitteilung der Ö ... e.V. vom 9.6.2009 nicht dem Heimgesetz und somit nicht der Heimaufsicht. Diesem Umstand kommt eine indizielle Bedeutung für die Qualifikation der Einric...