Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbschein
Leitsatz (redaktionell)
Bei Erteilung eines gegenständlich beschränkten Erbscheins ist nach Art der Nachlassgegenstände und ihrer Lage in den neuen oder alten Bundesländern zu differenzieren.
Normenkette
BGB § 2369 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Mainz (Beschluss vom 18.10.1991; Aktenzeichen 8 T 84/91) |
AG Mainz (Beschluss vom 10.04.1991; Aktenzeichen 4 VI 153/91) |
Tenor
I. Der angefochtene Beschluß und der Beschluß des Amtsgerichts – Nachlaßgericht – Mainz vom 10. April 1991 werden aufgehoben.
Das Amtsgericht – Nachlaßgericht – Mainz wird angewiesen, den von der Beteiligten zu 1) mit Urkunde des Notars Dr. … in vom 30. Januar 1991 (UR-Nr. 107/91 L) beantragten Erbschein zu erteilen.
II. Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 2 500,– DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin ist die Witwe des am … in … verstorbenen … Aus deren Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen. Die Eheleute errichteten am 12. August 1986 ein eigenhändiges, von beiden unterzeichnetes Testament, das auszugsweise folgenden Wortlaut hat:
„Unser Testament
1. Wir, die Eheleute …, setzen uns hiermit gegenseitig als Erben ein.
2. Erben des überlebenden Ehegatten sollen unsere Kinder … und … sein.
…
5. Sollte sich der überlebende Ehegatte wieder verheiraten, soll die Nacherbfolge bereits im Zeitpunkt der Eheschließung eintreten.
…”.
Zum Nachlaß gehören Rückübereignungs- bzw. Entschädigungsansprüche des Erblassers wegen der Enteignung eines Bauernhofes in … (Kreis …).
Mit notarieller Urkunde vom … hat die Antragstellerin die Erteilung eines auf das unbewegliche Vermögen im Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik beschränkten Erbscheins als Alleinerbin beantragt. Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 10. April 1991 diesen Antrag abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Mainz mit Beschluß vom 18. Oktober 1991 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der weiteren Beschwerde.
Entscheidungsgründe
II.
Die weitere Beschwerde der Antragstellerin ist statthaft und auch sonst in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 27, 29 Abs. 1 Satz 3, Abs. 4, 20, 21 FGG). Die Beschwerdeberechtigung der Antragstellerin folgt bereits daraus, daß die Vorinstanzen ihren Antrag auf Erteilung eines Erbscheines abgewiesen haben.
Die weitere Beschwerde hat auch in der Sache den angestrebten Erfolg, denn die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG). Das Landgericht ist wie schon das Nachlaßgericht der Auffassung, daß ein Anspruch der Antragstellerin auf Erteilung eines Erbscheins, der auf einzelne, im Beitrittsgebiet belegene Gegenstände beschränkt ist, nicht bestehe und hat hierzu im wesentlichen ausgeführt: Nach Art. 8 des Einigungsvertrages vom 23. September 1990 (BGBl. II 1990, 885) sei mit dem Beitritt des in Art. 3 genannten Gebietes auch in diesem Gebiet Bundesrecht in Kraft getreten. Damit finde § 2353 BGB Anwendung, wonach dem Erben auf Antrag von dem örtlich zuständigen Nachlaßgericht ein allgemeiner Erbschein über sein Erbrecht, und zwar unabhängig von dem Bestand seines jeweiligen Nachlasses, zu erteilen sei. Nach Art. 235 § 1 EGBGB in der Fassung des Einigungsvertrages bleibe zwar für erbrechtliche Verhältnisse das bisherige Recht maßgebend, wenn der Erblasser vor dem Wirksamwerden des Beitritts gestorben sei. Art. 236 § 1 EGBGB bestimme ferner, daß auf vor dem Wirksamwerden des Beitritts abgeschlossene Vorgänge das bisherige internationale Privatrecht anwendbar bleibe. Nach diesen Vorschriften seien, da der Gesetzgeber im Einigungsvertrag abweichende Regelungen nicht getroffen habe, für die vor dem 3. Oktober 1990 eingetretenen Erbfälle die bisher geltenden Kollisionsnormen der beiden ehemaligen deutschen Staaten anzuwenden. Für den hier in Rede stehenden Zeitraum (1. Januar 1976 bis 2. Oktober 1990) sei daher in entsprechender Anwendung von Art. 3 Abs. 3 EGBGB als maßgeblichem innerdeutschen Kollisionsrecht auf § 25 Abs. 2 DDR-RAG abzustellen mit der Folge, daß das Grundvermögen in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik als selbständiger Nachlaß anzusehen sei und dem dort geltenden DDR-ZGB unterliege. Gemäß den danach zur Bestimmung der Erbfolge heranzuziehenden Vorschriften der §§ 364, 370, 371 Abs. 1 und 2, 373 DDR-ZGB sei die Antragstellerin aufgrund des formwirksamen handschriftlichen Testaments vom 12. April 1986 unbeschränkte Alleinerbin hinsichtlich des hinterlassenen Grundvermögens im Beitrittsgebiet geworden. Da das eigenhändige Testament nach Inkrafttreten des DDR-ZGB errichtet worden sei, sei die in Ziff. 5 enthaltene Anordnung einer befreiten Vor- und Nacherbfolge als eine § 371 Abs. 2 DDR-ZGB zuwiderlaufende Verfügungsbeschränkung unwirksam. Soweit das Nachlaßgericht unter Berücksichtigung des dann zu ermittelnden Erblasserwillens bei der zu unterstellenden Kenntnis des Erblassers von der Unwirksamkeit dieser Verfügung diese...