Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderung an die Weiterleitung einer beim unzuständigen Gericht eingereichten Rechtsmittelschrift
Leitsatz (amtlich)
Ein Berufungskläger kann nicht darauf vertrauen, dass sein vier Tage vor Ablauf der Berufungsfrist beim unzuständigen LG eingereichter Berufungsschriftsatz noch rechtzeitig an das zuständige OLG weiter geleitet wird, wenn in dem Zeitraum von vier Tagen ein Wochenende enthalten ist.
Normenkette
ZPO §§ 234, 519 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankenthal (Pfalz) (Urteil vom 08.09.2008; Aktenzeichen 2 HKO 127/02) |
Tenor
I. Der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil der Vorsitzenden der 2. Kammer für Handelssachen des LG Frankenthal (Pfalz) vom 8.9.2008 wird abgelehnt.
II. Die Berufung der Beklagten gegen das vorgenannte Urteil wird als unzulässig verworfen.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Gründe
I. Das angefochtene Urteil ist den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 12.9.2008 zugestellt worden. Sie haben dagegen mit an das LG gerichtetem Telefax-Schriftsatz vom 9.10.2008 Berufung eingelegt. Mit Verfügung vom 15.10.2008 hat die Vorsitzende der Kammer für Handelssachen angeordnet, die Akten zur Entscheidung über die Berufung dem OLG vorzulegen. Mit Schreiben vom 17.10.2008 hat die Geschäftsstelle des LG die Akten an den Senat übersandt, bei dem sie am 21.10.2008 eingegangen sind. Nach Hinweis des Senatsvorsitzenden vom selben Tage, dass die eingelegte Berufung verfristet ist, hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 31.10.2008 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt.
II.1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zulässig (§ 234 ZPO); in der Sache führt er jedoch nicht zum Erfolg.
Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben die Frist zur Einlegung der Berufung schuldhaft versäumt, was die Beklagte sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Denn sie haben die Berufung entgegen § 519 Abs. 1 ZPO nicht bei dem Berufungsgericht, dem OLG, sondern bei dem LG eingelegt. Sie konnten auch nicht damit rechnen, dass das LG nach den Grundsätzen des fairen Verfahrens den Schriftsatz noch rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsfrist am 13.10.2008 (Montag) dem OLG übermittelte.
Da das LG zuvor mit dem Verfahren befasst war, war es allerdings aufgrund der ihm aus dem Gebot eines fairen Verfahrens obliegenden nachwirkenden Fürsorgepflichten ggü. den Prozessparteien gehalten, fristgebundene Schriftsätze für das Rechtsmittelverfahren, welche fehlerhaft bei ihm eingereicht wurden, im ordentlichen Geschäftsgang an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Ging der Schriftsatz so zeitig beim LG ein, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne Weiteres erwartet werden konnte, durfte die Beklagte nicht nur darauf vertrauen, dass ihr Schriftsatz überhaupt weitergeleitet wurde, sondern auch darauf, dass er noch fristgerecht beim Rechtsmittelgericht einging. Geschah das tatsächlich nicht, war der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unabhängig davon zu gewähren, auf welchen Gründen die fehlerhafte Einreichung beruhte. Mit dem Übergang des Schriftsatzes in die Verantwortungssphäre des zur Weiterleitung verpflichteten Gericht wirkte sich ein etwaiges Verschulden der Beklagten oder ihres Prozessbevollmächtigten nicht mehr aus (BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 3.1.2001 - 1 BvR 2147/00 - m.w.N.).
Im vorliegenden Fall kann dahinstehen, ob es - bei der bekanntermaßen stark belasteten und personell nicht immer hinreichend ausgestatteten Justiz (BGH, Beschl. v. 3.7.2006 - II ZB 24/05 - bei juris) - noch den an einen ordentlichen Geschäftsgang zu stellenden Anforderungen entsprach, dass das LG erst am 17.10.2008 die bereits am 9.10.2008 eingegangenen Berufung des Beklagten an das OLG weitergeleitet hat. Denn die Beklagte konnte jedenfalls nicht darauf vertrauen, dass ihr am Donnerstag, den 9.10.2008 um 13.20 Uhr beim LG per Fernkopie eingegangener Schriftsatz im Rahmen des ordentlichen Geschäftsganges noch rechtzeitig vor Ende der am 13.10.2008 ablaufenden Berufungsfrist beim OLG einging.
Wie die vom Senat telefonisch eingeholte Auskunft bei der Geschäftsstelle der 2. Kammer für Handelssachen des LG Frankenthal (Pfalz) ergeben hat, ist der per Telefax am 13.10.2008 übermittelte Berufungsschriftsatz, der im Übrigen weder als "Eilsache" noch als Rechtsmittel besonders gekennzeichnet war, aufgrund der in dem Schriftsatz angegebenen Telefaxnummer auf dem Telefaxgerät in der Wachtmeisterei des LG eingegangen. Von dort musste er im Wege des üblichen Zutrags zur Geschäftsstelle verbracht werden, wo die Akten herausgesucht und der Kammervorsitzenden vorgelegt werden mussten, weil die Geschäftsstelle die Frage der Zuständigkeit für das Berufungsverfahren nicht selbst zu prüfen hatte (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 8.2.2008 - 14 U 12/08 - bei juris). Anschließend musste die Kammervorsitzende den Rechtsmittelschr...