Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufungseinlegung bei örtlich unzuständigem Gericht
Leitsatz (amtlich)
1. Der Rechtsanwalt, der einer Berufungsschrift unterzeichnet, muss diese persönlich auf ihre richtige Adressierung überprüfen. Dies gilt auch dann, wenn die Rechtsmittelschrift in automatisierter Weise durch Verwendung eines Computerprogramms erstellt worden ist.
2. Geht die Berufung erst am Tag des Ablaufs der Berufungsfrist bei einem unzuständigen Gericht ein, so kann die Partei nicht damit rechnen, noch innerhalb der Berufungsfrist telefonisch oder per Telefax auf die fehlerhafte Einlegung des Rechtsmittels hingewiesen zu werden. Die Partei kann auch nicht erwarten, dass das angegangene unzuständige Gericht alles daransetzt, die unzulässige Berufung noch am Tage ihres Eingangs per Telefax an das zuständige Berufungsgericht weiterzuleiten.
Verfahrensgang
LG Frankenthal (Pfalz) (Urteil vom 07.04.2004; Aktenzeichen 4 O 210/03) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Frankenthal (Pfalz) vom 7.4.2004 wird als unzulässig verworfen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 82.674,56 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin die Beklagten auf Zahlung von restlichem Werklohn in Anspruch.
Durch Urteil vom 7.4.2004, auf das zur näheren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, hat die Einzelrichterin der vierten Zivilkammer des LG Frankenthal (Pfalz) die Klage abgewiesen.
Das Urteil ist den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 15.4.2004 zugestellt worden. Gegen das Urteil hat die Klägerin mit Faxschreiben von Montag, den 17.5.2004 Berufung eingelegt. Das Faxschreiben war an das OLG Koblenz adressiert. Dort ist es am selben Tag um 10:44 Uhr empfangen worden. Am 18.5.2004 gegen 13:30 Uhr ist die Klägerin vom OLG Koblenz darüber unterrichtet worden, dass sie ihr Rechtsmittel zum örtlich unzuständigen Gericht eingelegt hat.
Mit Schriftsatz vom 18.5.2004, eingegangen am selben Tage, hat die Klägerin erneut Berufung - nunmehr zum Pfälzischen OLG Zweibrücken - eingelegt und zugleich beantragt, ihr wegen der Versäumnis der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Im Folgenden hat sie ihr Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 15.6.2004, eingegangen am selben Tage, auch in der Sache begründet.
Zur Rechtfertigung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hat die Klägerin geltend gemacht, ihr Prozessbevollmächtigter habe die Berufungsschrift mit der Maßgabe diktiert, sie beim zuständigen OLG einzureichen. Üblicherweise werde dabei auf Grund der elektronisch gespeicherten Zuständigkeiten das richtige Gericht gezogen. Infolge einer nicht mehr aufklärbaren Fehlbedienung sei aber das unzuständige OLG Koblenz in das Adressfeld der Berufungsschrift gedruckt worden. Ihrem Prozessbevollmächtigten sei dies bei der Unterschrift nicht aufgefallen.
Die Klägerin beantragt, die Beklagten unter Aufhebung des angefochtenen Urteils als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 82.674,56 Euro nebst 10 % Zinsen aus 44.814,65 Euro seit 30.7.2002 sowie weiteren 10 % Zinsen aus 37.860 Euro ab Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, den Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen.
Sie halten die Berufung für unzulässig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zweiter Instanz wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.1. Die Berufung der Klägerin ist gem. § 522 Abs. 1 S. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Das Rechtsmittel ist nicht innerhalb der Frist des § 517 ZPO eingelegt worden. Die erste Rechtsmittelschrift vom 17.5.2004 hat die Berufungsfrist nicht gewahrt, weil sie an das örtlich unzuständige OLG Koblenz gerichtet war. Die zweite Berufungsschrift vom 18.5.2004 ist erst nach Ablauf der Berufungsfrist beim Pfälzischen OLG Zweibrücken eingegangen.
2. Gründe, die es gem. § 233 ZPO rechtfertigen könnten, der Klägerin zur Wahrung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, liegen nicht vor. Die Klägerin war nicht ohne ihr Verschulden an der rechtzeitigen Einlegung der Berufung gehindert. Dass die Berufungsfrist versäumt wurde, hat ihr Prozessbevollmächtigter zu vertreten. Dessen Verschulden muss die Klägerin sich gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.
a) Im Hinblick auf die Bedeutung der Rechtsmitteleinlegung und die inhaltlichen Anforderungen an eine Rechtsmittelschrift muss der Rechtsanwalt, der Berufung einlegt, die Berufungsschrift persönlich auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit prüfen (BGH v. 20.2.1995 - II ZB 16/94, MDR 1995, 527 = CR 1995, 598 = VersR 1995, 1372 [1373]; v. 1.12.1997 - II ZR 85/97, MDR 1998, 363 = VersR 1998, 608 [609]; VersR 1999, 1170 [1171], jeweils m.w.N.). Er darf diese Tätigkeit nicht seinem Büropersonal überlassen. Von der Pflicht zur eigenen Überprüfung wird er auch nicht dadurch entbunden, dass er ein Computerprogramm verwendet, mit dem...