Entscheidungsstichwort (Thema)

Versorgungsausgleich bei ausländischen Anrechten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Regelung in § 19 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG, nach der ausländische Anwartschaften dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten bleiben, entbindet das Familiengericht nicht von seiner grundsätzlichen Pflicht, diese Anrechte im Hinblick auf die Frage aufzuklären, ob und inwieweit gemäß § 19 Abs. 3 VersAusglG vom Ausgleich sonstiger Anrechte abzusehen ist.

2. Ein vollständiges Absehen vom Versorgungsausgleich ist nur dann gerechtfertigt, wenn die ausländischen Anwartschaften des einen Ehegatten zumindest gleich hoch sind, wie die inländischen des anderen Ehegatten.

 

Normenkette

VersAusglG § 19 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Rockenhausen (Beschluss vom 02.11.2015; Aktenzeichen 2 F 39/15)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Verbundbeschluss des AG - Familiengericht - Rockenhausen vom 2.11.2015 in seiner Ziffer 2. aufgehoben und das Verfahren insoweit zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Familiengericht zurückverwiesen.

Die verfahrensrechtlich bedenkenfreie, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers hat insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung und Zurückverweisung der Entscheidung über den angefochtenen Versorgungsausgleich führt.

Bei seiner Entscheidung, der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich bei der Scheidung finde gemäß § 19 Abs. 3 VersAusglG wegen Unbilligkeit insgesamt - als auch in Bezug auf die ausgleichsreifen Anrechte beider Ehegatten bei inländischen Versorgungsträgern - nicht statt, weil der Antragsteller über nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG nicht ausgleichsreife Anrechte bei einem ausländischen Versorgungsträger verfüge, hat das Familiengericht den Sinn und Zweck der Vorschrift verkannt und unter Verletzung seiner Amtsermittlungspflicht nach § 26 FamFG die in den USA bestehenden Versorgungsanrechte des Antragstellers nicht aufgeklärt. Nach der Gesetzesbegründung entbindet § 19 Abs. 2 Satz 4 VersAusglG, wonach ausländische Anwartschaften dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten bleiben, das Familiengericht nicht von seiner grundsätzlichen Pflicht, diese Anrechte im Hinblick auf § 19 Abs. 3 VersAusglG aufzuklären (BT-Drs. 1610144 S. 64). Denn das Bestehen ausländischer Anrechte bewirkt nach der gesetzlichen Regelung keine generelle Ausgleichssperre in Bezug auf die sonstigen ausgleichsreifen Anrechte der Ehegatten; es führt lediglich zu einer Billigkeitsprüfung, nach der jeweils im Einzelfall festzustellen ist, inwieweit die Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs für den Ehegatten unbillig ist, der - ausgleichsreife inländische - Anrechte abgeben muss und in Bezug auf die ausländischen Anrechte des anderen Ehegatten auf den deutlich schwächeren schuldrechtlichen Ausgleichsanspruch verwiesen wird. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe von der Ausgleichssperre des § 19 Abs. 3 VerAusglG Gebrauch zu machen ist, kann nur entschieden werden, wenn die ausländischen Anrechte dem Grunde und - zumindest annähernd - der Höhe nach aufgeklärt worden sind. Denn nur dann kann festgestellt werden, inwieweit die Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs in Bezug auf die ausgleichsreifen Anrechte unbillig ist. Ein vollumfängliches Absehen von der Durchführung des Versorgungsausgleichs in Bezug auf die inländichen Anrechte wird nur dann gerechtfertigt sein, wenn die ausländischen Anwartschaften des einen Ehegatten zumindest etwa gleich hoch sind wie die inländischen Anrechte des anderen Ehegatten (Senat Beschluss vom 22.5.2012 - 2 UF 19/15 Rz. 41; OLGe Frankfurt Beschluss vom 21.7.2014 - 5 UF 149/14 Rz. 3, Zweibrücken Beschluss vom 23.11.2012 - 6 UF 60/12 Rz. 27 und Karlsruhe Beschluss vom 6.6.2012 - 18 UF 293/10 Rz. 24) oder wenn Bestand oder Höhe der ausländischen Anrechte auch bei Ausschöpfung der gemäß § 26 FamFG gebotenen Amtsermittlung nicht ermittelt werden kann (Borth, Versorgungsausgleich 7. Auflage Rz. 734).

Aufgrund der Nichterfüllung der Amtsermittlungspflicht in Bezug auf die in den USA bestehenden Anrechte des Antragstellers hat das Familiengericht in der Sache noch nicht in der gebotenen Weise umfassend entschieden; die Sache ist daher gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG von Amts wegen zur Nachholung der notwendigen Ermittlungen und erneuten Entscheidung an das Familiengericht zurückzuverweisen.

2. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.200,00 EUR festgesetzt (§ 50 Abs. 1 Satz 1 FamGKG).

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen (§ 70 Abs. 2 FamFG).

 

Fundstellen

Haufe-Index 9661453

NZFam 2016, 1197

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