Normenkette
BGB §§ 630a, 823; ZPO §§ 485, 487, 492
Verfahrensgang
LG Zweibrücken (Beschluss vom 07.08.2022; Aktenzeichen 2 OH 6/22) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Zweibrücken vom 07.08.2022 einschließlich des Ergänzungsbeschlusses vom 30.09.2022 aufgehoben und das weitere Verfahren gemäß § 572 Abs. 3 ZPO zur erneuten Entscheidung an das Erstgericht übertragen. Das Erstgericht soll dabei den Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens nicht mit der Begründung zurückweisen, es fehle hierfür das Rechtsschutzbedürfnis, weil die Beweiserhebung auf spekulativer Grundlage erfolgen würde.
Gründe
Die gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 490 Abs. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers, zu deren Entscheidung der Senat in der Besetzung des § 122 Abs. 1 GVG berufen ist, weil die angefochtene Entscheidung nicht durch einen Einzelrichter getroffen wurde (§§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 6 Satz 1 GKG), führt in der Sache zum Erfolg, wobei die erneute Entscheidung über den Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens vom 07.04.2022 gemäß § 572 Abs. 3 ZPO dem Erstgericht unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats übertragen wird.
Entgegen der Rechtsauffassung des Erstgerichts fehlt es für die Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens nicht deswegen an einem erforderlichen rechtlichen Interesse i.S.d. § 485 Abs. 2 ZPO, weil die Beweiserhebung auf spekulativer Grundlage erfolgen würde.
Es trifft zwar zu, dass die von den Antragstellern formulierten Beweisfragen (mit Ausnahme von Ziff. 1.d)) sämtlich ausdrücklich oder stillschweigend von der - streitigen - Prämisse ausgehen, Behandlungsindikation und -ziel sei aufgrund entsprechender, zuvor erhobener Befunde die Behandlung eines Ovarialkarzinoms gewesen und dass der Sachvortrag der Antragsgegnerin mangels Gegenanträgen nicht zu berücksichtigen ist (OLG Karlsruhe Beschl. v. 3.11.2010 - 7 W 25/10, BeckRS 2011, 24134, beck-online). Vor diesem Hintergrund ist der Kammer zuzugestehen, dass die beantragte Beweiserhebung, sollte sich später herausstellen, dass die Operation (auch oder alleine) aufgrund eines kurzfristig drohenden absoluten Darmverschlusses medizinisch indiziert gewesen ist, sich in einem späteren Hauptsacheverfahren als ganz oder teilweise nutzlos herausstellen könnte. Dies zu beurteilen ist im selbstständigen Beweisverfahrens jedoch grundsätzlich - solange sich das Beweisverfahren, wie hier nicht, von vornherein offensichtlich und ohne jeden Zweifel als völlig nutzlos darstellt - nicht Aufgabe des Gerichts, vielmehr handelt es sich hierbei um ein bewusstes Risiko der Antragsteller, ebenso wie dasjenige, sich später möglicherweise der Kostenfolge aus § 96 ZPO ausgesetzt zu sehen (vgl. zu den Anforderungen an ein rechtliches Interesse des Antragstellers etwa BGH, Beschluss vom 16. September 2004 - III ZB 33/04 -, juris). Die Gefahr, dass ein Sachverständiger auf ungesicherter tatsächlicher Grundlage ein Gutachten erstattet, besteht nicht nur in Arzthaftungssachen, sie kann vielmehr auch in anderen Rechtsstreitigkeiten, wie beispielsweise in Bausachen, bestehen (vgl. etwa OLG Karlsruhe, VersR 2003, 374, m.w.N.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Januar 2000 - 8 W 53/99 -, juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 6. Oktober 1998 - 14 W 7/98 -, Rn. 4, juris). Insoweit darf die Frage der Zweckmäßigkeit eines selbstständigen Beweisverfahrens, die im Einzelfall durchaus zweifelhaft sein mag, aber vom Antragsteller in eigener Verantwortung beurteilt werden muss, nicht mit der Frage seiner Zulässigkeit, über die das Gericht zu entscheiden hat, vermengt werden (BGH, NJW 2020, 2273 Rn. 18, beck-online).
Ein fehlendes rechtliches Interesse an der Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens folgt hieraus nicht. Dieses Interesse ist weit zu verstehen und ist bereits dann nach § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann, auch wenn möglicherweise eine abschließende Klärung durch das einzuholende Sachverständigengutachten nicht möglich ist und weitere Aufklärungen erforderlich erscheinen (BGH Beschl. v. 24.9.2013 - VI ZB 12/13, BeckRS 2013, 17808 Rn. 18, beck-online). So reicht insbesondere die Möglichkeit aus, dass der Antragsteller nach einem negativen Ausgang der Begutachtung von einer Klageerhebung absieht (KG, Beschluss vom 11. September 2006 - 20 W 35/06 -, Rn. 9, juris). Vorliegend ist bereits nicht auszuschließen, dass die Antragsteller etwa bei einem für sie nachteiligen Gutachtenergebnis von einer Klageerhebung absehen. Auch die ernstliche Weigerung der Antragsgegnerin, sich - wie auch immer die Begutachtung ausgehen mag - mit dem Antragsteller zu einigen, steht der Zulässigkeit des Verfahrens nicht entgegen (BGH Beschl. v. 24.9.2013 - VI ZB 12/13, BeckRS 2013, 17808 Rn. 19, beck-online). Ein rechtliches Interesse an der Durchführung des selbstständigen Beweisv...