Leitsatz (amtlich)
Entscheidet das Familiengericht ohne Durchführung eines Termins über den Aufenthalt eines Kindes, fällt eine Terminsgebühr nicht an.
Normenkette
FamFG § 155 Abs. 1-2; RVG-VV Vorbem 3 Nr. 3104
Verfahrensgang
AG Germersheim (Entscheidung vom 05.02.2018; Aktenzeichen 2 F 400/15) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Landeskasse wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Germersheim vom 5. Februar 2018 geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Erinnerung des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Germersheim vom 30. November 2016, durch den die Vergütung des Verfahrensbevollmächtigten (§ 55 RVG) auf 523,36 EUR festgesetzt worden ist, wird zurückgewiesen.
2. Das Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 287,03 EUR.
Gründe
Der im Weg der Verfahrenskostenhilfe beigeordnete Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers betreibt die Festsetzung seiner aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung nach § 55 RVG. Streitig ist, ob die Terminsgebühr (RVG VV Nr. 3104) angefallen ist. Im Ausgangsverfahren war die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts im Weg der einstweiligen Anordnung beantragt worden. Die Beteiligten haben sodann einer von der Richterin vorgeschlagenen einvernehmlichen Lösung zugestimmt. Das Verfahren wurde daher beendet, ohne dass ein Termin stattgefunden hatte.
Die Rechtspflegerin hat die Vergütung des Verfahrensbevollmächtigten unter Absetzung der geforderten Terminsgebühr auf nur 523,36 EUR festgesetzt. Der zulässigen Erinnerung des Verfahrensbevollmächtigten hat die Richterin durch die angefochtene Entscheidung stattgegeben, durch die unter Berücksichtigung auch der Terminsgebühr eine Gesamtvergütung von 810,39 EUR bewilligt wurde. Hiergegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Vertreters der Landeskasse, mit der die Wiederherstellung der Entscheidung der Rechtspflegerin erstrebt wird.
Die statthafte (§ 56 Abs. 1 RVG) und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Landeskasse, über die der Senat gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 S. 2 RVG in seiner Gesamtheit zu entscheiden hat, hat auch in der Sache Erfolg.
Nach RVG VV Vorbemerkung 3 Abs. 3 S. 1 entsteht die Terminsgebühr u.a. für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen. Nach VV Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 fällt die Gebühr auch dann an, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis der Parteien oder Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden oder ein schriftlicher Vergleich abgeschlossen wird.
Nach weit überwiegender Auffassung in Literatur und obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. nur OLG Hamm FamRZ 2018, 377 u. NJW-RR 2013, 318; Gerold/ Schmidt, RVG 22. Aufl. VV Nr. 3104 Rn. 33; Riedel/Sußbauer, RVG 10. Aufl. VV Nr. 3104 Rn. 7) ist in sog. nichtstreitigen Familiensachen (§§ 111 f. FamFG) die Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 nicht anwendbar, weil deren Wortlaut ausdrücklich auf eine "mündliche Verhandlung" abstellt, während hier lediglich eine mündliche Erörterung in Frage steht; dies gelte ebenso für bestimmte Kindschaftssachen, für die der auch hier einschlägige § 155 Abs. 2 S. 1 FamFG eine Erörterung mit den Beteiligten vorschreibt. Nach der insbesondere vom OLG Stuttgart vertretenen Gegenansicht (OLG Stuttgart FamRZ 2011, 591) wird diese Auslegung als zu stark am Wortlaut orientiert abgelehnt und die Terminsgebühr auch in derartigen Fällen zugebilligt, um einvernehmliche Konfliktlösungen zu fördern.
Der Senat hat sich bereits in der Vergangenheit durch verschiedene Einzelrichterentscheidungen (Beschlüsse 6 WF 58/14 vom 15.5.2014; 171/15 v. 30.9.2015; 107/16 v. 26.7.2016) der herrschenden Meinung angeschlossen. Hieran hält der Senat nach neuerlicher Würdigung des Meinungsstandes auch in seiner Gesamtheit fest.
Der Senat anerkennt das auch hier von dem betroffenen Verfahrensbevollmächtigten geltend gemachte Interesse, einen Anreiz für verfahrensvereinfachende einvernehmliche Erledigungen zu schaffen. Hierfür können durchaus auch die vom OLG Hamm (FamRZ 2018, 377) in anderem Sinne in Anspruch genommene Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. Nr. 17/11471 - neu, S. 275) angeführt werden. Andererseits aber kann auch in dieser Frage auf die auch gebührenrechtliche Integrität der Anwaltschaft als Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) vertraut werden.
Daher ist letztlich am Wortlaut des Gesetzes, hier der VV Nr. 3104 zur RVG, festzuhalten. Der Gesetzgeber hat sich trotz der seit längerer Zeit bekannten Streitfrage (s. etwa Gerold/ Schmidt a.a.O.) und trotz des von ihm verfolgten Anliegens der Verfahrensvereinfachung (BT-Drucks. a.a.O.) nicht zu einer weiter gehenden Fassung oder einer Änderung der Norm veranlasst gesehen. Dies kann nicht im Weg einer wohlwollenden und an rechtspolitischen Zielen orientierten Auslegung korrigiert werden.
Ein weiteres Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht statthaft; eine weitere Beschwe...