Leitsatz (amtlich)
Wer sich sieben Wochen in einem Land mit Linksverkehr aufhielt, handelt regelmäßig lediglich aus Unachtsamkeit und nicht rücksichtslos, wenn er bei seiner ersten Fahrt in Deutschland gegen das Rechtsfahrgebot verstößt.
Verfahrensgang
LG Kaiserslautern (Entscheidung vom 25.07.2022) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 25.07.2022
- dahin geändert, dass der Angeklagte der fahrlässigen Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig ist,
- im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
- Die weitergehende Revision wird verworfen.
- Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Kaiserslautern zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Rockenhausen hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 60 Euro verurteilt, die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von weiteren acht Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Das Landgericht hat seine Berufung als unbegründet verworfen. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Der Angeklagte kehrte am 02.01.2022 aus einem siebenwöchigen in Thailand verbrachten Urlaub nach Deutschland zurück. Weil er bei dem elfeinhalb Stunden dauernden Nachtflug nicht gut geschlafen hatte, legte er sich für vier Stunden schlafen. Etwa eine Stunde nach dem Aufwachen beschloss er, mit seinem eigenen Pkw nach R. zu fahren. Er bog aus dem Grundstück in W. kommend links ab und befuhr auf einer Strecke von zwei bis drei Kilometern die Landstraße L ... auf der linken Spur. Nach zwei bis drei Minuten Fahrtzeit kollidierte er in einem Kurvenbereich frontal mit dem ihm auf derselben Fahrspur entgegenkommenden Pkw der Geschädigten. Der Angeklagte hatte sich weder vor Fahrtantritt noch während der Fahrt darüber Gedanken gemacht, dass in Deutschland - anders als in Thailand - Rechtsverkehr herrscht. Die Geschädigte und ihr Beifahrer wurden bei dem Unfall verletzt.
2. Das Landgericht hat den Sachverhalt rechtlich als fahrlässige Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in zwei Fällen gewertet. Der Angeklagte habe rücksichtslos gehandelt, weil er nach einem siebenwöchigen Auslandsaufenthalt mit Linksverkehr unreflektiert mit seinem Fahrzeug am Straßenverkehr teilgenommen habe, ohne sich die geltenden Verkehrsregeln zu vergegenwärtigen. Im Hinblick auf die Fahrtstrecke von mindestens zwei Kilometern und der Fahrzeit von mindestens 2 Minuten sei nicht von einem Augenblicksversagen auszugehen.
II.
Der Schuldspruch hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand, soweit das Landgericht den Angeklagten wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2e, Abs. 3 Nr. 2 StGB verurteilt hat. Denn die getroffenen Feststellungen tragen ein rücksichtsloses Handeln des Angeklagten nicht. Auf die daneben erhobene Verfahrensrüge, die ausschließlich auf die Verurteilung wegen dieses Delikts abzielt, kommt es daher nicht an.
1. Gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2e StGB macht sich strafbar, wer grob verkehrswidrig und rücksichtslos an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhält. Rücksichtslos handelt ein Fahrer, der sich im gegebenen Falle seiner Pflicht bewusst ist, aber aus eigensüchtigen Gründen, etwa seines ungehinderten Vorwärtskommens wegen, sich über sie hinwegsetzt, mag er auch darauf vertraut haben, dass es zu einer Beeinträchtigung anderer Verkehrsteilnehmer nicht kommen werde (bewusste Fahrlässigkeit). Rücksichtslos handelt ferner, wer sich aus Gleichgültigkeit auf seine Pflichten als Fahrer nicht besinnt, Hemmungen gegen seine Fahrweise in sich gar nicht aufkommen lässt und unbekümmert um die Folgen seines Verhaltens drauflosfährt (BGH, Urteil vom 25.02.1954 - 4 StR 796/53, BGHSt 5, 392, 395; Pfälzisches OLG Zweibrücken, Beschluss vom 14.06.2021 - 1 OLG 2 Ss 9/21, juris Rn. 23 mwN). Das Tatbestandsmerkmal der Rücksichtslosigkeit erfordert demnach eine gesteigerte subjektive Vorwerfbarkeit. Gelegentliche Unaufmerksamkeit oder reine Gedankenlosigkeit genügen hierfür nicht (vgl. BGH, aaO, 396; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.12.1999 - 2b Ss 87/99 - 46/99 I, juris Rn. 28). Ebenso wenig begründet ein bloß fahrlässiger Verstoß für sich den Vorwurf der Rücksichtslosigkeit, auch nicht bei Eintritt einer konkreten Gefährdung. Der Täter muss vielmehr ein überdurchschnittliches Fehlverhalten gezeigt haben, das von einer besonders verwerflichen Gesi...