Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung der Teilungserklärung durch das Rechtsbeschwerdegericht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die vom Senat als Rechtsbeschwerdegericht selbst vorzunehmende Auslegung der Teilungserklärung richtet sich nach dem Wortlaut und Sinn, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt; auf die Vorstellung des teilenden Eigentümers und das Verständnis des beurkundenden Notars kommt es insoweit nicht an.

2. Eine mit "Sonderrechte" überschriebene Regelung in der Teilungserklärung, die neben der Überdachung der Terrasse auch "sonstige bauliche Veränderungen im Bereich der Terrasse, soweit baurechtlich zulässig" beinhaltet, umfasst bereits nach ihrem Wortlaut auch die Errichtung eines Wintergartens.

 

Verfahrensgang

LG Landau (Pfalz) (Beschluss vom 14.04.2003; Aktenzeichen 3 T 168/02)

AG Kandel (Beschluss vom 19.04.2002; Aktenzeichen UR II 17/02 WEG)

 

Tenor

I. Der angefochtene Beschluss wird geändert:

Die Erstbeschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des AG Kandel vom 19.4.2002 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten zu 2) haben die Gerichtskosten beider Beschwerdeverfahren zu tragen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

III. Der Gegenstand des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 3.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG, 27, 29 Abs. 1, 4, 22 FGG).

In der Sache führt das Rechtsmittel zum Erfolg. Die Entscheidung des LG beruht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

Die Beteiligten zu 2) haben keinen Anspruch auf Beseitigung des von der Beteiligten zu 1) errichteten Wintergartens gem. § 1004 BGB, § 15 Abs. 3 WEG. Aus § 15 Abs. 3 WEG i.V.m. § 10 WEG folgt, dass jeder Wohnungseigentümer einen Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen kann, der dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen oder, soweit sich eine Regelung hieraus nicht ergibt, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht (vgl. etwa OLG Zweibrücken, Beschl. v. 22.1.2001 - 3 W 273/01, und v. 2.2.2000 - 3 W 12/00, OLGReport Zweibrücken 2000, 383 m.w.N.). Bei dem Bau des Wintergartens handelt es sich um eine bauliche Veränderung i.S.d. § 22 Abs. 1 WEG, die grundsätzlich der Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer bedarf. Diese ist nach § 22 Abs. 1 2 WEG entbehrlich, wenn die Rechte der übrigen Wohnungseigentümer nicht über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Für den vorliegenden Fall kann dahinstehen, ob der von der Beteiligten zu 1) errichtete Wintergarten eine Beeinträchtigung in vorgenanntem Sinne darstellt. Denn die im Rahmen des § 22 Abs. 1 WEG erforderliche Zustimmung haben die Beteiligten zu 2) hier mit § 6 der Teilungserklärung in der notariellen Urkunde vom 25.9.1998 bereits erteilt. Danach ist der jeweilige Eigentümer der Einheit Nr. 1 berechtigt, auf seine Kosten und Gefahr die in § 4 Abs. 1 erwähnte Terrasse zu überdachen und auch sonstige bauliche Veränderungen im Bereich der Terrasse vorzunehmen, soweit diese baurechtlich zulässig sind. Das LG hat ausgeführt, hierin sei kein vorweggenommenes Einverständnis der Beteiligten zu 2) zur Errichtung des Wintergartens enthalten. Diese sei von der Regelung des § 6 der Teilungserklärung nicht umfasst. Die Regelung stelle auf bauliche Veränderungen im Bereich der Terrasse ab. Durch die Errichtung des Wintergartens sei im vorliegenden Fall die Terrasse jedoch "vernichtet" worden und existiere nicht mehr, so dass es nicht mehr um eine Veränderung "im Bereich der Terrasse" gehe, sondern um deren vollständige Vernichtung.

Diese Auslegung wird der in § 6 der Teilungserklärung enthaltenen Vereinbarung der Beteiligten nicht gerecht. Der Senat kann als Rechtsbeschwerdegericht die im Grundbuch als Inhalt des Sondereigentums einzutragende Teilungserklärung ohne Bindung an die Auslegung durch die Tatsacheninstanz selbständig auslegen. Abzustellen ist dabei auf den Wortlaut und Sinn, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt (vgl. etwa BGH v. 21.2.1991 - V ZB 13/90, BGHZ 113, 374 [378] = MDR 1991, 631; und BGHZ 37, 147 [149]; OLG Zweibrücken v. 29.6.1992 - 3 W 30/92, MDR 1992, 1054 = NJW 1992, 2899; sowie Beschl. v. 17.9.2001 - 3 W 87/01, OLGReport Zweibrücken 2002, 23; 20.8.2001 - 3 W 24/01; und 30.4.2003 - 3 W 57/03; OLG Hamburg ZMR 2002, 621; und ZMR 2003, 868 f., jeweils zitiert nach juris; Meikel, Grundbuchrecht, 9. Aufl., § 78 Rz. 36). Wegen der gebotenen objektiven Auslegung kommt es insb. nicht auf die Vorstellungen des teilenden Eigentümers und das Verständnis des beurkundenden Notars an. Ermittlungen in diese Richtung waren deshalb entbehrlich (vgl. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 30.4.2003 - 3 W 57/03; OLG Hamburg v. 14.5.1997 - 2 Wx 53/95, MDR 1997, 816 [817]; BayObLG WE 1996, 191 [192]; OLG Karlsruhe v. 10.2.1987 - 4 W 41/86, NJW-RR 1987, 651). Nach diesen Grundsätzen ist für den vorlieg...

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