Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsfähigkeit eines Privatgutachtens

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Privatgutachten, das lediglich eingeholt wird, um es dem Privatgutachten des Gegners im Vorfeld eines Bauprozesses entgegenzusetzen, ist nicht prozessbezogen und deshalb nicht erstattungsfähig.

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 1, § 104

 

Verfahrensgang

LG Frankenthal (Pfalz) (Aktenzeichen 8 O 10/11)

 

Gründe

1. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hatte die Klägerin u.a. mit Dachdeckerarbeiten beauftragt. Während laufender Arbeiten stellte der Beklagte fest, dass die seitens der Klägerin erbrachten Leistungen mängelbehaftet waren. In der Folgezeit entspann sich ein Schriftwechsel zwischen den Parteien.

Mit Schreiben vom 23.2.2007 teilte die Klägerin mit, dass die seitens des Beklagten monierten Mängel beseitigt seien. Der Beklagte ließ mit Schriftsatz des von ihm beauftragten Architekten vom selben Tag erklären, dass die angezeigten Mängel noch vorhanden seien. Am 26.2.2007 beauftragte die Klägerin einen Privatgutachter zur Prüfung der Holzkonstruktion; das kurze Gutachten wurde am 27.2.2007 erstellt. Gegenüber dem Beklagten erklärte die Klägerin mit Schriftsatz vom 28.2.2007, dass die gerügten Mängel ab 1.3.2007 beseitigt würden. Mit Schreiben seines Architekten vom 28.2.2007 erteilte der Beklagte dem Geschäftsführer der Klägerin Baustellenverbot. Mit Schriftsatz vom 1.3.2007 teilte der seitens des Beklagten beauftragte Architekt mit, dass er im Rahmen einer Baustellenbegehung an diesem Tag nach wie vor Mängel festgestellt habe und am folgenden Tag den Sachverhalt prüfen werde; außerdem behalte er sich vor, die Mängelfreiheit von einem öffentlich bestellten und vereidigten Gutachter bestätigen zu lassen. Ebenfalls mit Schriftsatz vom 1.3.2007 forderte der spätere Prozessbevollmächtigte des Beklagten die Klägerin unter Fristsetzung zum 10.3.2007 zur Mängelbeseitigung auf und drohte zugleich die Kündigung des Vertrags an. Mit Schriftsatz ihres späteren Prozessbevollmächtigten vom 2.3.2007 legte die Klägerin dem Beklagten das von ihr eingeholte Kurzgutachten vor und behauptete, dass die Mängel teilweise beseitigt seien; daneben wurde der Beklagte aufgefordert, das ausgesprochene Baustellenverbot aufzuheben und noch vorhandene Mängel genau mitzuteilen. Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 5.3.2007 rügte der Beklagte insgesamt 30 Mängel und wies nochmals auf die Beseitigungsfrist vom 10.3.2007 hin. Vor diesem Hintergrund beantragte die Klägerin am 7.3.2007 ein selbständiges Beweisverfahren zu den seitens des Beklagten gerügten 30 Mängeln; dies teilte sie dem Beklagten am 9.3.2007 mit. Am selben Tag erging der Beweisbeschluss in dem selbständigen Beweisverfahren. Der Beklagte hatte jedoch seinerseits bereits am 7.3.2007 einen Privatgutachter beauftragt.

Die Kosten für dieses Privatgutachten i.H.v. 1.348,98 EUR macht der Beklagte im Kostenfestsetzungsverfahren geltend. Der Klägerin wurden nach Rücknahme der Klage die Kosten des Verfahrens nach § 269 ZPO auferlegt. Die Rechtspflegerin hat die Kosten des Privatgutachtens abgesetzt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft und zulässig, jedoch nicht begründet.

Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Dazu können nach der ständigen Rechtsprechung des BGH auch die Kosten für die Einholung eines Privatsachverständigengutachtens gehören, wenn sie unmittelbar prozessbezogen sind (vgl. BGH Beschl. v. 26.2.2013 - VI ZB 59/12 - Rz. 4 - juris). Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist die Einholung eines Privatgutachtens, wenn eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte (vgl. BGH, a.a.O., Rz. 5). Prozessbezogen ist ein vorprozessual eingeholtes Privatgutachten dann, wenn es sich auf den konkreten Rechtsstreit bezieht und gerade mit Rücksicht auf ihn eingeholt wurde (vgl. OLG Karlsruhe Beschl. v. 16.3.2010 - 15 W 97/09 - Rz. 9 - juris).

Hier hat der Beklagte vorgetragen, die Einholung des Privatgutachtens sei notwendig gewesen, um eine Bestandsaufnahme zu machen; dies sei notwendig gewesen, um vor dem Hintergrund der Einholung eines Privatgutachtens durch die Klägerin Waffengleichheit herzustellen und um die Beweise für das erfahrungsgemäß langwierige selbständige Beweisverfahren zu sichern.

Beide Argumente vermögen jedoch nicht zu überzeugen. Die Erstattungsfähigkeit von Kosten eines vorprozessual eingeholten Privatgutachtens wird von der Rechtsprechung in den Fällen anerkannt, in denen seitens des Gerichts die Substantiierung des Vortrag gefordert wird, die ohne Privatgutachten nicht möglich ist, oder wenn eine Partei ohne Gutachten nicht sachgerecht vortragen kann (vgl. BeckOK-Jaspersen/Wache ...

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