Entscheidungsstichwort (Thema)
Arglistige Täuschung zum Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis
Leitsatz (amtlich)
Anwendbarkeit deutschen Rechts als das Recht des verletzten Ehegatten bei Anfechtung der Ehe mit einem zur Zeit der Eheschließung türkischen Staatsangehörigen.
Das Verschweigen eines Ehegatten, die Ehe niemals vollziehen zu wollen, stellt für sich allein gesehen noch keine - zur Anfechtung der Ehe berechtigende - arglistige Täuschung dar. Auch der Nichtvollzug der Ehe über Jahre hinweg lässt nicht ohne weiteres auf Umstände schließen, die eine arglistige Täuschung des Ehepartners begründen könnten, wie etwa Heirat, nur um die Aufenthaltserlaubnis zu erlangen.
Normenkette
EGBGB Art. 13-14, 17; BGB § 314 Abs. 2 Nr. 3, § 314 Nr. 5
Verfahrensgang
AG Ludwigshafen (Urteil vom 25.10.2004; Aktenzeichen 5a F 373/04) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Antragsgegners wird das Urteil des AG - FamG - Ludwigshafen am Rhein vom 25.10.2004 geändert:
Die Anträge auf Aufhebung, hilfsweise Scheidung, der am 16.4.2002 vor dem Standesbeamten in ... am Rhein geschlossenen Ehe werden zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien (Antragstellerin geboren am ... und deutsche Staatsangehörige; Antragsgegner geboren am ..., vormals türkischer Staatsangehöriger, seit Mitte 2004 staatenlos) streiten um die Aufhebung, hilfsweise die Scheidung ihrer am 16.4.2002 vor dem Standesbeamten in ... geschlossenen Ehe.
Die Antragstellerin ist von Beruf Hotelfachfrau. Sie hat den Antragsgegner, der in einem Obst- und Gemüsegeschäft seiner Schwester tätig ist, im Jahr 2000 kennen gelernt. Der Antragsgegner hat in der Türkei den Wehrdienst verweigert und sodann in der Bundesrepublik Deutschland Asylantrag gestellt. Die nach Zurückweisung seines Antrags eingelegte Klage wurde nach der Heirat der Parteien und Aufenthaltsgestattung zurückgenommen.
Ein der Heirat Mitte 2001 vorausgegangenes Eheversprechen hat die Antragstellerin vorübergehend aufgelöst. Grund dafür soll nach Darstellung des Antragsgegners seine kurdische Abstammung gewesen sein. Die Verlobung wurde dann 3 bis 4 Monate später in dem Hotel gefeiert, in dem die Antragstellerin zum damaligen Zeitpunkt tätig war.
Nach der Eheschließung hat die Antragstellerin mit notariellem Kaufvertrag vom 18.7.2002 eine Drei-Zimmer-Eigentumswohnung erworben, für die auch der Antragsgegner mit Grundschuldbestellung vom selben Tag die persönliche Haftung (einschließlich Zwangsvollstreckungsunterwerfung) übernahm. Am 1.10.2002 und 12.6.2003 haben die Parteien ggü. der Ausländerbehörde jeweils versichert, "dass die Ehe nicht zum alleinigen Erhalt einer Aufenthaltsgenehmigung geschlossen wurde."
Zur Trennung kam es sodann Ende August 2004. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Ehe bis zu diesem Zeitpunkt nicht vollzogen wurde.
Mit ihrer am 31.8.2004 eingegangenen Aufhebungsklage hat die Antragstellerin geltend gemacht: Der Antragsgegner habe sich geweigert, mit ihr Geschlechtsverkehr durchzuführen. Einzige Erklärung hierfür sei, dass er sie nur zu dem Zweck geheiratet habe, eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland zu erlangen. Er sei von Anfang an nicht gewillt gewesen, mit ihr die Ehe zu vollziehen. Damit habe er sie arglistig über seine wahren Absichten getäuscht.
Die Antragstellerin hat beantragt, die am 16.4.2002 vor dem Standesbeamten in ... geschlossene Ehe der Parteien aufzuheben, hilfsweise, die vorgenannte Ehe zu scheiden.
Der Antragsgegner ist beiden Anträgen entgegengetreten und hat geltend gemacht, er habe die Antragstellerin aus Liebe geheiratet. Sie habe sich ihm seit der Hochzeitsnacht verweigert. Das eigentliche Problem sei gewesen, dass die Familie der Antragstellerin einen permanenten Druck auf beide Eheleute ausgeübt habe.
Das AG - FamG - hat nach Anhörung der Parteien dem Hauptantrag stattgegeben und die Ehe aufgehoben. Hinsichtlich der Begründung wird auf die erstinstanzliche Entscheidung (Bl. 54 ff. d.A.) Bezug genommen.
Hiergegen macht der Antragsgegner im Wege der Berufung geltend: Das Erstgericht habe die Ausschlussfrist des § 1317 Abs. 1 BGB übersehen. Nach dem Vortrag der Antragstellerin sei der Intimverkehr bereits in der Hochzeitsnacht abgelehnt worden. Die Antragsfrist zur Erhebung der Aufhebungsklage sei damit versäumt.
Außerdem sei § 1315 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BGB nicht berücksichtigt worden. Obwohl der Geschlechtsverkehr nicht vollzogen worden sei, habe man in der erworbenen Eigentumswohnung in ehelicher Lebensgemeinschaft zusammengelebt. Dies habe die Antragstellerin ggü. der Ausländerbehörde mit Schreiben vom 1.10.2002 und 12.6.2003 bestätigt.
Im Übrigen sei die Beweiswürdigung zu beanstanden. Allein die Tatsache, dass es nicht zum Geschlechtsverkehr gekommen sei, begründe keinen Anscheinsbeweis für eine arglistige Täuschung. Hierfür könne insb. nicht auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin abgestellt werden. Im Fall eines unansehnlichen Ausseh...