Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlöschen einer Grunddienstbarkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Eine im Jahre 1920 bestellte Grunddienstbarkeit, deren alleiniger Zweck darin bestand, dem Eigentümer des begünstigten Grundstücks die Vorteile der damals guten Wohnlage in einer "Villengegend" zu sichern, erlischt, wenn der Wohnvorteil mit den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs und dem anschließenden Wiederaufbau entfallen ist.

 

Verfahrensgang

LG Kaiserslautern (Urteil vom 19.02.2003; Aktenzeichen 2 O 714/02)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Kaiserslautern vom 19.2.2003 geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, ihre Zustimmung zur Löschung der zugunsten ihres Grundstücks (Grundbuch von K., Bl. ..., Flurstücknummer ...) auf dem Grundstück der Kläger im Grundbuch von K., Bl. ..., Flurstücknummer ... eingetragenen Grunddienstbarkeit zu erteilen, Zug um Zug gegen Löschung der zu Lasten des Grundstücks der Beklagten (Grundbuch von K., Bl. ..., Flurstücknummer ...) zu Gunsten des Grundstücks der Kläger (Bl. ..., Flurstücknummer ...) eingetragenen Grunddienstbarkeit.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 6.000 Euro abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Die Kläger sind Eigentümer des unbebauten Grundstücks E., K. (eingetragen im Grundbuch von K., Bl. ..., Flurstücknummer ...). Die Beklagte ist Eigentümerin des benachbarten Anwesens W. (eingetragen im Grundbuch von K. Bl. ..., Flurstücksnummer ...), einer Nebenstrasse der E. Ihre Grundstücke gehörten ursprünglich dem Eigentümer H., der 1920 das Grundstück der jetzigen Kläger veräußerte. Im notariellen Kaufvertrag vom 23.4.1920 wurden zugunsten beider Grundstücke Grunddienstbarkeiten eingetragen, die die Bebaubarkeit im Grenzbereich der beiden, damals in einer Villengegend gelegenen Grundstücke beschränken sollten. Nachdem das Stadtgebiet von K., darunter auch die damals auf beiden Grundstücken stehenden Gebäude im zweiten Weltkrieg zerstört worden waren, wurde der Bereich der E. als Geschäftsstraße in geschlossener Bauweise wieder aufgebaut. Auf dem Grundstück der Beklagten wurden nach und nach eine Garage, eine Druckerei und ein Wohnhaus errichtet. Die Kläger wollen ihr Grundstück mit einem mehrgeschossigen Geschäftshaus bebauen und sehen sich hierbei durch die zugunsten des Beklagtengrundstücks eingetragene Grunddienstbarkeit beeinträchtigt. Sie begehren deren Löschung.

Durch das angefochtene Urteil, auf das zur Ergänzung des Tatbestands Bezug genommen wird, hat der Einzelrichter der 2. Zivilkammer des LG Kaiserslautern die Klage abgewiesen.

Mit ihrer Berufung rügen die Kläger, die ihr erstinstanzliches Klageziel weiterverfolgen, die Rechtsauffassung des LG.

Sie beantragen, das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihre Zustimmung zur Löschung der Grunddienstbarkeit zu erteilen, die im Grundbuch von K., Bl. ..., Flurstücknummer ..., zu Lasten des Grundstücks, Flurstücknummer ..., eingetragen im Grundbuch von K., Bl. ..., eingetragen ist, Zug um Zug gegen Löschung der im Grundbuch von K., Bl. ..., Flurstücknummer ..., zu Lasten des Grundstücks, Flurstücknummer ..., eingetragen im Grundbuch von K., Bl. ..., eingetragenen Grunddienstbarkeit.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil, wobei sie im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt.

II. Die zulässige Berufung führt zum Erfolg.

Die Kläger haben gegen die Beklagte gem. § 894 BGB einen Anspruch auf Löschung der zu Gunsten des Beklagtengrundstücks auf ihrem Grundstück eingetragenen Grunddienstbarkeit. Die dadurch bewirkte Beschränkung des Eigentumsrechts der Kläger an ihrem Grundstück steht mit der wirklichen Rechtslage nicht mehr im Einklang. Der Senat vermag der Auffassung des Einzelrichters, dass die Dienstbarkeit der Beklagten auch heute noch nützlich sei, nicht beizutreten.

Eine Grunddienstbarkeit kann erlöschen, wenn infolge Veränderungen eines der betreffenden Grundstücke die Ausübung dauernd ausgeschlossen ist oder wenn der Vorteil für das herrschende Grundstück (§ 1019 BGB) infolge grundlegender Änderung der tatsächlichen Verhältnisse oder der rechtlichen Grundlage objektiv und endgültig weggefallen ist (BGH v. 24.2.1984 - V ZR 177/82, MDR 1984, 1015 = NJW 1984, 2157). Denn zum Wesen der Grunddienstbarkeit gehört, dass das ihren Inhalt bildende Recht für die Benutzung des herrschenden Grundstücks nach dessen Natur und Zweckbestimmung, wenn auch nur mittelbar, einen wirtschaftlichen Vorteil bietet oder bieten kann (BGH NJW 1967, 582). Ein solcher Vorteil kann für das herrschende Grundstück schon darin bestehen, dass die Grunddienstbarkeit für seinen Eigentümer Annehmlichkeiten des Wohnens in seinem Hause be...

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