Leitsatz (amtlich)

Der Ausschluss des urheberrechtlichen Schutzes für ein privates Werk (hier: Landkarte) nach § 5 Abs. 1 UrhG wegen eines Informationsinteresses der Allgemeinheit tritt nur ein, wenn der Inhaber des ausschließlichen Nutzungsrechts der Verwendung des Werks für ein sogenanntes amtliches Werk zugestimmt hat.

 

Normenkette

UrhG § 5 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankenthal (Pfalz) (Urteil vom 06.03.2018; Aktenzeichen 6 O 187/17)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 21.01.2021; Aktenzeichen I ZR 59/19)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 6. März 2018 geändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, den nachfolgend abgebildeten Kartenausschnitt der Öffentlichkeit über das Internet zugänglich zu machen, wie unter der URL "http://..." geschehen:

2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1. Ordnungsgeld bis zu 250 000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft bzw. Ersatzordnungshaft jeweils zu vollziehen sind am Bürgermeister der Beklagten.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10 000,00 EUR abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin wendet sich als Betreiberin eines Stadtplandienstes mit ihrer Klage gegen die öffentliche Zugänglichmachung des in der Urteilsformel abgebildeten Kartenausschnitts auf einer von der beklagten kommunalen Gebietskörperschaft betriebenen Webseite. Sie sieht darin eine Verletzung des von ihr innegehaltenen ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechts.

Die Klägerin bietet unter der Internetadresse www.....de Landkarten und Stadtpläne an. Nutzer können sich nach Eingabe einer Adresse kostenfrei bestimmte Kartenausschnitte anzeigen lassen. Eine darüber hinausgehende Nutzung wird von der Klägerin zur Lizenzierung angeboten. Dies betrifft insbesondere das Recht, Kartenausschnitte auf Netzauftritten zu verwenden (so beispielsweise www.berlin.de).

Die beklagte rheinland-pfälzische Verbandsgemeinde stellte auf der von ihr für die verbandsangehörige Stadt K... betriebenen Webseite eine Karte, an welcher die Klägerin die ausschließlichen Nutzungsrechte hält, ins Netz. Die Beklagte hatte das Kartenmaterial als inhaltlichen Bestandteil des von einem Bauwilligen beauftragten Exposés eines privaten Planungsbüros erhalten und veröffentlichte das Exposé zur Darlegung einer baurechtlich "atypischen Fallgestaltung" im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO im Rahmen des bauplanungsrechtlichen Verfahrens zur Umgestaltung eines Supermarktes. Hiermit wollte die Beklagte der sie treffenden Pflicht genügen, die entsprechenden Unterlagen "in das Internet einzustellen" (§ 4 a Abs. 4 BauGB). Um ein Nutzungsrecht an dem streitgegenständlichen Kartenmaterial hatte die Beklagte bei der Klägerin zuvor weder nachgesucht noch ein solches erhalten.

Mit Schreiben vom 6. Juli 2017 mahnte die Klägerin die Beklagte ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Zugleich bot die Klägerin der Beklagten erfolglos den Abschluss eines Lizenzvertrages an.

Mit der Klage hat die Klägerin beantragt, die Beklagte dazu zu verurteilen, es bei Meidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen, den streitgegenständlichen Kartenausschnitt der Öffentlichkeit über das Internet zugänglich zu machen.

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt und sich in erster Linie damit verteidigt, dass sie das streitgegenständliche Material lediglich pflichtgemäß im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Bauleitplanung veröffentlicht habe. Zudem sei das Kartenmaterial zum Zeitpunkt der Abmahnung durch die Klägerin bereits nicht mehr öffentlich zugänglich gewesen.

Die Unterlassungsklage ist beim Landgericht ohne Erfolg geblieben. In dem angefochtenen Urteil hat die Zivilkammer zur Begründung der Abweisung im Wesentlichen ausgeführt:

Zwar sei die Klägerin als Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an der nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG urheberrechtlich geschützten Karte zur Geltendmachung eines Anspruches aus § 97 Abs. 1 UrhG grundsätzlich sachbefugt.

Einem Werkschutz nach dem Urheberrechtsgesetz stehe im Streitfall jedoch "die Wertung des § 5 Abs. 1 UrhG entgegen". Diese Vorschrift schütze das Publizitätsinteresse der Allgemeinheit an amtlichen Werken, weswegen sie auch dann eingreife, wenn das betreffende Werk nicht von einem Amtsträger selbst stamme, sondern ihm - wie hier - aus anderen Quellen zugänglich gemacht worden sei. Entscheidend für das öffentliche Publizitätsinteresse sei lediglich, dass die Veröffentlichung dem Hoheitsträger als eigene Erklärung zuzurechnen sei. Sinn und Zweck von § 5 UrhG sei es, der Öffentlichkeit Zugang zu Äußerungen zu gewähren, welche für die gegenwärtige oder künftige Amt...

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