Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachbarklage gegen Genehmigung für eine Grenzstützmauer
Leitsatz (amtlich)
1. Beurteilungsgegenstand für die Frage des Vorliegens einer Nachbarrechtsverletzung durch eine Bauerlaubnis ist ausschließlich das in den genehmigten Bauvorlagen dargestellte Vorhaben, nicht ein unter Umständen abweichend davon ausgeführtes tatsächlich vorhandenes Bauwerk.
2. Eine subjektive Rechtsverletzung des Nachbarn kann sich nur aus der Nichtbeachtung von Rechtsvorschriften ergeben, die von der Behörde bei ihrer Genehmigungsentscheidung zu prüfen waren. Insoweit sind die Einschränkungen des materiellen Prüfungsprogramms im vereinfachten Genehmigungsverfahren (hier noch § 67 Abs. 2 LBO 1996) zu beachten, das Fragen der Standsicherheit nicht mehr umfasst.
3. Die Genehmigung einer Stützmauer auf der gemeinsamen Grenze mit einer Höhe über den durch § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 b) LBO 1996 (heute § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 10 b) LBO 2004) maximal zugelassenen 2 m löst auch dann Abwehrrechte des betroffenen Grenznachbarn aus, wenn die Wand nach einer entsprechenden Geländeabgrabung auf dem tiefer liegenden Grundstück zur Abstützung des Grundes des dann verbliebenen höher liegenden Geländes des Nachbarn ausgeführt wird.
Normenkette
LBO 1996 § 67 Abs. 2, § 7 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 b; LBO 2004 § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 10 b
Verfahrensgang
Tenor
Unter Abänderung des auf die mündliche Verhandlung vom 1. März 2006 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes – 5 K 89/04 – werden die Baugenehmigung des Beklagten vom 5.11.2002 und der auf die mündliche Verhandlung vom 5.2.2004 ergangene Widerspruchsbescheid aufgehoben.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für den „Neubau einer PKW-Garage und die Errichtung einer Stahlbetonstützwand”. Er ist Miteigentümer des Wohnhausanwesens G 17a in A-Stadt-M (Parzelle Nr. 412/5 in Flur 7 der Gemarkung M). Das sich linksseitig anschließende, ebenfalls mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück (Parzelle Nr. 412/4) steht im Eigentum der Beigeladenen.
Erstmals mit Bauschein vom Oktober 1995 (vgl. den Bauschein vom 19.10.1995 – BKL. Nr. 906/05 –, später modifiziert durch Bauschein vom 13.9.1996) genehmigte der Beklagte den Beigeladenen die Errichtung einer bis auf die gemeinsame Grenze reichenden Garage. Die Anlage sollte unter Vornahme einer Geländeabgrabung auf Straßenniveau ausgeführt werden, wobei das anstehende Gelände des Grundstücks des Klägers im Bereich der vorgelagerten Garagenzufahrt durch eine im August 1996 genehmigte Stützmauer abgefangen werden sollte. (vgl. den Bauschein vom 8.8.1996 – BKL. Nr. 705/96 –) Im Wesentlichen mit Standsicherheitsbedenken begründete Rechtsbehelfe des Klägers mit dem Ziel einer Verpflichtung des Beklagten zur Einstellung der im Jahre 1996 aufgenommenen Bauarbeiten blieben zunächst ohne Erfolg. (vgl. VG des Saarlandes, Beschluss vom 17.9.1996 – 2 F 78/96 – und OVG des Saarlandes, Beschluss vom 22.10.1996 – 2 W 34/96 –, BRS 58 Nr. 181)
Im März 1997 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Beklagten dann unter Hinweis auf eine von den Genehmigungen abweichende Bauausführung, die Bauarbeiten einzustellen. (vgl. VG des Saarlandes, Beschluss vom 19.3.1997 – 2 F 113/96 –) Ein gleichzeitig gestellter Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Rechtsbehelfe gegen die Genehmigungen wurde im April 1997 unter Verweis auf ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis zurückgewiesen, nachdem die Beigeladenen erklärt hatten, die Bauarbeiten bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren einzustellen. (vgl. VG des Saarlandes, Beschluss vom 14.4.1997 – 2 F 112/96 –; das eine Anfechtungsklage gegen die Genehmigungen und eine Verpflichtungsklage auf Erlass einer Beseitigungsanordnung betreffende Verfahren wurde nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen durch Beschluss vom 2.2.1999 – 2 K 65/97 – eingestellt)
Im November 1998 (vgl. den Bauschein vom 19.11.1998 – BKL Nr. 48/97 –) wurde den Beigeladenen eine am geschaffenen Baubestand orientierte modifizierte Baugenehmigung für den Bau der Garage sowie der Stützwand erteilt. Nachdem das Verwaltungsgericht die dagegen erhobene Klage zunächst abgewiesen hatte, (vgl. VG des Saarlandes, Urteil vom 13.12.2000 – 5 K 194/99 –) wurde der Beklagte im April 2002 auf die Berufung des Klägers hin wegen einer Verletzung von Grenzabstandsvorschriften hinsichtlich der zulässigen Höhe der Garage unter Aufhebung der Genehmigung verpflichtet, die Beseitigung der Anlagen anzuordnen. (vgl. insoweit OVG des Saarlandes, Urteil vom 23.4.2002 – 2 R 7/01 –, BRS 65 Nr. 118) Die entsprechende Anordnung wurde im Oktober 2002 vom Beklagten erlassen, aber nie durchgesetzt.
Stattdessen erteilte der Beklagte den Beigeladenen im November 2002 im vereinfachten Genehmigungsverfahren die ...