Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachbarklage gegen die Baugenehmigung für ein Altenwohn- und Pflegeheim
Leitsatz (amtlich)
1. Erforderlich, aber auch ausreichend für eine ordnungsgemäße und zeitgerechte Berufungsbegründung im Sinne von § 124a Abs. 6 Satz 1 und 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO ist, dass hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass und weshalb der Berufungsführer an der Durchführung des zugelassenen Berufungsverfahrens festhalten will.
2. Abstandsflächenberechnung bei Gebäuden mit gestaffelten Wänden sowie mit Vorbauten
3. Sofern durch mangelhafte, einschlägigen technischen Normen zuwiderlaufende Bauarbeiten öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt werden, hat dies ebenso wenig wie eine von der Genehmigung abweichende Bauausführung Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit einer erteilten Genehmigung.
4. Im Falle des Vorliegens einer geprüften und genehmigten Statik für ein Bauvorhaben bedarf es ausdrücklicher und nachvollziehbarer konkreter Hinweise auf Mängel der statischen Berechnung, um die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung unter dem Aspekt einer Gefährdung der Standsicherheit von Nachbargebäuden bzw. der Tragfähigkeit des Baugrundes eines Nachbargrundstückes in Frage zu stellen.
5. Die Anforderungen an eine gesicherte Erschließung im Sinne von § 44 Abs. 3 LBO 1996 bestehen regelmäßig allein im öffentlichen Interesse und dienen nicht dem Nachbarschutz. Nachbarschutz kommt § 44 LBO nur ausnahmsweise zu.
6. Die Brandschutzanforderungen der LBO sind insoweit nachbarschützend, als sie die Ausbreitung von Feuer über die Grundstücksgrenzen hinaus auf die Nachbargrundstücke verhindern sollen. Zudem kommt § 18 LBO 1996 nachbarschützender Charakter dergestalt zu, dass im öffentlich-rechtlichen Nachbarstreit eine durch die Baugenehmigung zwingend vorgegebene Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks durch die Feuerwehr infolge einer den Brandschutzanforderungen nicht genügenden Zugänglichkeit des Vorhabengrundstücks abgewehrt werden kann.
Führt der zweite Rettungsweg nicht notwendig über Rettungsgeräte der Feuerwehr, so bedarf es keiner Aufstellflächen für Hubrettungsfahrzeuge.
7. Der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 und 4 BauNVO, nach denen zu den Wohngebäuden auch solche gehören, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen, findet erst dort seine Grenze, wo aufgrund des im Vordergrund stehenden Klinikcharakters der Einrichtung von einem „Wohnen” nicht mehr gesprochen werden kann.
Normenkette
VwGO § 124a Abs. 6 Sätze 1, 3, Abs. 3 S. 4; LBO § 44; LBO 1996 § 18; BauNVO § 3 Abs. 2, 4
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens; außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Altenwohn- und Pflegeheimes in C-Stadt.
Er ist Eigentümer des aus den Parzellen 263/1, 263/2, 264/1, 264/2, 270/2, 270/5, 262, 935/261, 934/260, 933/259 und 1086/257 in Flur 7 der Gemarkung C-Stadt bestehenden, etwa 66,8 Ar großen Grundstücks D.Straße 6/6a, einem ehemaligen landwirtschaftlichen Anwesen. An dieses Grundstück grenzt im Straßenbereich nach Osten das aus den Parzellen 252, 251/1, 250/1, 249/1, 247/2, 246/1, 966/280, 937/279, 936/279, 1116/278, 1117/278, 1118/276, 274, 1085/257, 1037/256, 1036/256, 255, 254 und 253 bestehende etwa 53,7 Ar große Vorhabengrundstück. Ein Bebauungsplan für den Bereich existiert nicht.
Mit Bauschein vom 13.3.2002 – 63-969-2001 – erteilte der Beklagte der Beigeladenen eine Baugenehmigung zum Neubau eines Altenwohn- und Pflegeheimes mit 29 Pkw-Stellplätzen.
Mit Schreiben vom 11.4.2002, eingegangen beim Beklagten am 15.04.2002, legte der Kläger gegen die Baugenehmigung Widerspruch ein. Diesen begründete er im Wesentlichen damit, dass er im Hinblick auf die Abwasserentsorgung erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung habe. Zudem sei es durch die bisherigen Bauarbeiten bereits zu Schäden an seinem Wohnhaus gekommen. Der vorhandene Boden bilde keinen ausreichend festen Untergrund, so dass insbesondere durch die Nutzung der Fahrfläche auch weitere Gebäudeschäden zu befürchten seien.
Mit aufgrund mündlicher Verhandlung vom 23.10.2002 ergangenem Widerspruchsbescheid hat der Kreisrechtsausschuss den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung ist darin im Wesentlichen ausgeführt, die Baugenehmigung verletze den Kläger weder in bauplanungs- noch in bauordnungsrechtlich geschützten Nachbarrechten. Bauplanungsrechtlich beurteile sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach § 34 BauGB. Die nähere Umgebung des Vorhabengrundstücks stelle sich als Mischgebiet im Sinne von § 6 BauNVO dar. In diese Umgebung füge sich das genehmigte Altenwohn- und Pflegeheim als Wohngebäude ein. Nach § 3 Abs. 4 BauNVO gehörten zu den nach den §§ 2, 4 bis 7 BauNVO zulässigen Wohngebäuden auch solche, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer B...