Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Nachbarschutz gegenüber Wohnhäusern und einem Wohnhaus für altenbetreutes Wohnen, die aufgrund eines unwirksamen Bebauungsplanes in einem Bereich errichtet werden sollen, der bisher rückwärtige Ruhezone war, und die über einen Abwasserkanal entwässert werden, deren Beseitigung in anderen Klageverfahren erfolglos verlangt wurde
Leitsatz (amtlich)
1. Wendet sich der Nachbar gegen ein durch einen unwirksamen Bebauungsplan ermöglichtes Bauvorhaben, bedarf es keiner Entscheidung, ob dessen Zulassung nach § 33 BauGB, § 34 BauGB oder § 35 BauGB zu beurteilen ist, wenn keine dieser Rechtsgrundlagen zu einem nachbarrechtlichen Abwehrrecht führt.
2. Altenbetreutes Wohnen unterfällt erst dann nicht mehr dem Wohnen im Sinne von § 3 Abs. 4 BauNVO, wenn es einem Langzeitkrankenhaus gleichkommt.
3. § 34 BauGB begründet grundsätzlich keinen Anspruch auf Fortbestand einer faktischen Ruhezone für einen oder mehrere Nachbarn auf fremden Grundstücken.
4. Besteht gegenüber der Gemeinde kein Anspruch auf Beseitigung oder Nutzungsuntersagung eines auf einem Privatgrundstück verlaufenden Abwasserkanals, kann dieser Gesichtspunkt auch der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung für ein Vorhaben entgegengehalten werden, das über diesen Kanal entwässert wird.
5. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für den Beigeladenen im Vorverfahren (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO) ist nicht gegeben, wenn der Beigeladene davon ausgehen konnte, dass die sachkundige Behörde ihre getroffene Entscheidung verteidigt.
Normenkette
BauGB §§ 33-35; BauNVO § 3 Abs. 4
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Kläger zu 1. und 2. zu jeweils einem Viertel und der Kläger zu 3. zur Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht der Beklagte oder die Beigeladene vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Der Streitwert wird auf 30.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigungen (1.) zum „Neubau von 2 Hausgruppen mit je 4 Reihenhäusern und Anlegen von 8 Pkw-Stellplätzen” vom 10.05.2001 und (2.) zum „Neubau eines Mehrfamilienwohnhauses für altenbetreutes Wohnen und Anlegen von 16 Pkw-Stellplätzen” vom 16.11.2001, jeweils in A-Stadt.
Die Kläger zu 1. und 2. sind Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Anwesens in A-Stadt, A-Straße, Gemarkung A-Stadt, Flur 15, Parzelle Nr. 11/13, durch das auch die Entwässerungsleitung verlegt ist, die Gegenstand der nachstehend genannten Verfahren war. Der Kläger zu 3. ist Eigentümer des östlich des Grundstücks der Kläger zu 1. und 2. liegenden Grundstücks E-Straße, Parzelle 11/2. An diese Grundstücke der Kläger grenzt nach Norden hin das aus den Parzellen 13/10, 15/8 und 17/84 bestehende Vorhabengrundstück. Dieses liegt – anders als die Grundstücke der Kläger – im Geltungsbereich des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes „Zwischen Hauptstraße – Schwarzer Weg – Luisenstraße” der Gemeinde A-Stadt. Zum Regelungsgehalt dieses Bebauungsplanes hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 18.09.2003 – 4 CN 2.03 – ausgeführt:
Das Plangebiet besteht aus einer etwa 120 m × 60 m großen, im Wesentlichen unbebauten Freifläche mit Streuobstwiesennutzung. Bebauung ist nur auf der an die Hauptstraße angrenzenden östlichen Schmalseite des Plangebiets vorhanden. Das Gebiet liegt innerhalb des Ortsteils A-Stadt zwischen den überwiegend mit Wohnhäusern bebauten Straßen „Schwarzer Weg” und „Luisenstraße”.
Der Bebauungsplan setzt im östlichen Bereich an der Hauptstraße ein kleines Mischgebiet und in der Mitte und im Westen drei kleine WA-Gebiete fest. Die Zulässigkeit bestimmter Nutzungen in den Baugebieten ist durch textliche Festsetzungen im Einzelnen geregelt. So sind im Baugebiet WA gemäß § 4 Abs. 2 BauNVO Wohngebäude, der Versorgung des Gebiets dienende Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störende Handwerksbetriebe und Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke zulässig. Ausnahmsweise zulässig gemäß § 4 Abs. 3 BauNVO sind ferner Betriebe des Beherbergungsgewerbes und sonstige nicht störende Gewerbebetriebe. Dagegen sind Anlagen für sportliche Zwecke, Anlagen für Verwaltungen, Gartenbaubetriebe und Tankstellen ausdrücklich ausgeschlossen. In den Vorbemerkungen zur Planbegründung ist ausgeführt, die ≪Beigeladene≫ beabsichtige die Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses, zweier Reihenhäuser mit je vier Einheiten, eines frei stehenden Wohnhauses und eines Hauses für betreutes Seniorenwohnen.
Das Gebiet wird wegemäßig über den Schwarzen Weg zur Hauptstraße hin erschlossen. der westliche Teil des Plangebiets soll über e...